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Totenwache.

Nachdem sich gelegt unzählige Feuersbrünste,
Als die Dämmerung, wie Asche voll Funken, in Verwehungen
          Sich bereitete zwischen den kämpfenden Lagern,
               Unsere süßen Brüder suchen gingen wir

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                         Im Waffenstillstand.

Und nach dem erbleichenden Schimmer der Aureolen
     Erkannten wir ihre schönen Häupter,
          Gestützt auf steinerne Pfühle,
                         Wie im Traume.

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Doch die Dünste des neuen Morgens verdichteten sich

Auf ihren Stirnen im Tau des Todes,
Und an jenem Abend, der seine Dämmerung
Über tausende unserer Tage gebreitet,
Unter allen unseren Küssen fühlten wir ihre fragenden Mienen

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     Und ihr erzwungenes rätselhaftes Lächeln –


Wachen werden wir über den Zelten der schlafenden Brüder, in Gebeten,
     Und Bäume, Wässer, die Erde werden unsere Bangigkeit teilen
     Und befreundete Städte. Inmitten schwarzer Meere der Vernichtung
               Werden unsere Träume schweigsame Inseln sein

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          Und die Flotten der Toten, segelnd nach heißen Zonen,

               Werden wir am Horizonte grauer Lichter erkennen.

Brennen nicht alle deine Blüten mit allen Gestirnen
Über unzähligen Gräbern, wie Grabeslampen
Am Abend, während der geheimnisvollen Octave deiner Sieger?

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               Uns schufst du nicht Millionen von Zungen

Vom bittern Seufzen der Gräser, demütiger Moose,
Bis zur Beredsamkeit der Flammen und weißer Sonnen Verzweiflung,
                    Daß sie klagend vernehmen lassen in Jahrtausenden die Schwere deines Fluches,
                         Den Schmerz der vergänglichen Dinge?

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Otokar Březina: Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde47.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)