In blendender Weiße des Lichtes ruhte die Erde, gleich einem Buche von Liedern,
Geöffnet vor unseren Augen. Und also erklang unser Singen:
Siehe, in dieser Stunde begegnen einander Millionen von Händen, eine magische Kette,
Die alles Festland umschließt, Urwälder, Gebirge,
In Städten, die in tiefen Horizonten erdunkeln, tragische Opferstätten,
Und wo die Sonne, die mystische Lampe, herabgelassen zur Tiefe aus azurnen Höhen,
Blutig qualmt im Rauche, der Heere, Parlamenten, Gefängnissen, Amphitheatern,
Und dort, wo die Glut Millionen von Herzen in die dämmernden Himmel der Geister
Körner glühender Kohle, geschürt vom gigantischen Eisen;
Im verdrossenen Schweigen des Tieflands, in schmerzlicher Ahnung des Sommers,
Wenn in Blüten aufquollen Ströme der Kräfte des Frühlings, wie steingewordene Lava,
Die Tage, wie Arbeiter mystischer Hütten, schleichend folgen einander,
Unter derselben unsichtbaren Peitsche, die vom Osten zum Westen sich schwingt; –
Auf den Wellen der Meere und Geister, wo ängstlich die Rufe der Schiffer, vom Wirbel erfaßt,
Um Mastbäume kreisen, übertost vom Jauchzen der Blitze, wenn Himmel und Erde
Verfließen in ein Element des Schreckens und Todes; –
Auf Bauplätzen von Pharaonen, wo im Joche schmachten die Völker
Und bauen Gräber gigantisch für Ungezählter Beherrscher; –
Im dämonischen Kreisen der Räder, der Hebel, der Schlegel, der über den Köpfen sausenden Hämmer; –
Auf Schlachtfeldern, in Sternwarten, Lehrsälen, Lazarethen, Laboratorien; –
Eine Welt mächtigeren Grausens und Pracht und aus der Materie uralter Schaftrunkenheit
Halbumschimmert ersteht in Blitzen der Meißel und im schöpferischen Erglühen der Augen; –
Otokar Březina: Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde25.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)