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Versen.

Dieser Adelicher Sitz ist im Fürstenthumb Lüneburg / nahe vor der Statt Vltzen / gegen Mittag gelegen / vnd deß Adelichen Geschlechts deren von Estorff Stammhauß. Es hat dasselbe ihr Vorfahrer Eckhard von Estorff / Ritter / im Jahr 1292. von denen von Hitzacker / durch einen Erbkauff an sich bracht.

Im Jahr Christi 1500. haben die von Kersenbruck / nebenst ihrem Gehülffen dem damahligen Bischoffen zu Havelberg / dieses Hauß feindlich überfallen / den Vorhoff gewonnen / geplündert / abgebrant / vnd grossen Schaden daselbst / wie auch den Benachbarten zugefüget.


Vltzen.

Diese zum Hertzogthumb Lüneburg gehörige Statt / 5. Meilen von Lüneburg / vnd 6. Meilen von der Fürstl. Residentz-Statt Zelle belegen / ist vor Alters Lawenwald genennet[1] worden / Massen dieser Nahme in denen alten Fürstlichen Gnaden- vnd Befreyungs- auch andern verhandenen Briefen befindlich / so wol am Rahthause daselbst / welches Anno 1347. gebawet / an der Nordseiten in Stein gebrant / annoch zu lesen ist. Sie führet über dem im Wapen einen blawen Löwen / zwischen dreyen grünenden Bäumen / im grünen Felde wandelnd / vnd ist solcher Nahme zweifels frey von dem nahe anligenden Walde ihr gegeben worden / wie dann die alten Teutschen gemeiniglich ihre Stätte nach den vorbey fliessenden Wassern / Wäldern / oder dergleichen genennet haben.

Wann vnd welcher gestalt Sie aber den Nahmen Vltzen bekommen / davon ist annoch keine eigentliche Gewißheit / So viel ist zwar auß etzlichen alten brieflichen Vrkunden / sub dato 1255. vnd 1338. zu ersehen / daß das Closter Oldenstatt / so nahe bey der Statt liget / damals OldenVlßen / diese Statt aber Lawenwald / oder sonsten NienVllessen sey genennet worden / Worauß zu schliessen / daß der Nahme Vllessen oder Vltzen / ihro von jetzt genantem Closter zugewachsen / welches gemächlich dabey seinen rechten Nahmen verlohren / vnd den Nahmen Oldenstatt wieder angenommen.

Zu welcher Zeit / vnd von weme Sie erbawet sey / findet man zu glaubwürdiger gnüge nicht verzeichnet. Durch der Voreltern Sage wird der Vrsprung denen Engel-Sachsen zugeschrieben / welche auß Engelland sollen dahin gefahren / der Orten gehandelt / vnd am Schnellenmarckt daselbst ihr Ablager vnd Stapel-Gerechtigkeit gehabt / auch ein Messing starck übergüldetes Schiff / zum Gedächtnuß / dahin verehret haben / so noch vor wenig Jahren auff dem grossen Chor / in der Pfarrkirchen daselbst / auffgehencket zu sehen gewesen.

In einem geschriebenen Zeit- vnd Geschichtbuche wird zwar gemeldet / ob solte die Statt von Keyser Otten / dem ersten Hertzogen zu Sachsen / Herrn zu Braunschweig vnd Lüneburg / so im zehenden Seculo nach Christi Geburt gelebet / erbawet seyn: werden aber dessen keine sattsame Zeugnussen angeführet.

Anno 1247. ist Sie von Hertzog Otten dem ersten Hertzogen zu Braunschweig vnd Lüneburg / sonst das Kind genant / gleich der Statt Lüneburg / mit Stattrecht begabet.

Anno 1270. am Tage Luciae, ist Sie von Hertzog Johanne zu Braunschweig vnd Lüneburg / mit newem Stattrechte / vnd mehrern privilegiis begnadigt. Welch vhraltes privilegium in seiner alten Sächsischen Sprache annoch jährlichs am gewöhnlichen Eydtage der versamleten

Anmerkungen

  1. Vorlage: gennet
Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_314.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)