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Calvörde.

Das Fürstl. Braunschweig-Wolffenbüttelische Schloß vnd Ampthauß Calvörde / ist ein Grentzhauß vnd Paß / stosset an die ChurBrandenburg / vnd das Ertzstifft Magdeburg / vnd liget gleichsam in der Marcke. Vor 50. oder mehr Jahren sind in zweyen vnterschiedenen / auff dem Schlosse entstandenen Fewrbrunsten / zwey Gebäude / als eins über dem Thore am Platze / vnd das ander gleich über hinter dem Thumb / weggebrant / Das dritte Gebäwde / worin das Braw- vnd Backhauß / vnd die Darre begriffen gewesen / vnd zur lincken seiten deß Platzes gestanden / ist in anno 1627. bey Zeiten der Keyserlich Guarnison / gleichfalls eingeäschert. Das Schloß aber / sampt dem rechten Gebäwde oder Wohnhauß / ist noch im zimlichen Stande / auch sind darinnen noch feine Gemächer / woruff S. Fürstl. Gn. Hertzog Jochim Carol zu Braunschweig vnd Lüneburg / hochlöbl. Andenckens / hiebevor residiret.

Das Schloß vnd Flecken Calvörde soll den Nahmen daher bekommen haben / als Keyser Carolus Magnus die Wenden bekrieget / vnd zum Christenthumb gebracht / hat Er auch diesen Ort / als einen nohtwendigen Paß / berühret vnd durchgangen; vnd ist dahero der Paß / das Schloß vnd Flecken Carols-fahrt / jetzo per corruptionem Calvorde genennet worden. So vermeynet man auch / daß den Thurn / so auff dem Schlosse mitten im Platze stehet / vnd in seiner Circumferentz 58. Ellen / die höhe 36. Ellen / vnd die dicke fünffthalb Ellen hält / der Römer Drusus, welcher bey Zeiten deß Keysers Augusti, mit dem Römischen feindlichen Heer biß an die Elbe kommen / soll haben mauren lassen.

Das Schloß liget mitten im Moraß am Drömlinge / ist mit Strauch vnd Buschwerck / wie auch das Flecken / so vff einer seiten am Moraß liget / mit Holtze vmbgeben / vnd hat im Winter vnd Fastenzeit Wassers die fülle / also daß die Wiesen gantz überschwemmet seyn / dargegen aber mangelt es den Sommer hinwieder. Vff das Schloß gehet ein Weg / vnd fleusset der Strom die Ohre / welche allerhand Gattung von Speisefischen / auch Hechte vnd Aland gibt / zwischen dem Wege vnd dem Schlosse vorbey / daß man über drey Brücken / ehe man vffs Schloß kompt / gehen vnd fahren muß. Das Hauß ist in diesem Kriegeswesen mehrentheils mit Völckern besetzet gewesen.

Es sollen vor alters wenig Leute allhier im Flecken im Flecken gewohnet haben / dero Anzahl aber ergrössert / vnd das Flecken dadurch verbessert worden seyn / daß die Einwohner deß verwüsten Dorffes Ysern / (so ohngefehr ein halb viertel Meile weges / vom Flecken Calvorde am Ysenhagen / vff deß Ampts territorio gelegen) theils wegen damahliger Vnsicherheit / theils auch wegen stetigen Streitigkeiten / so sie mit den Calvordischen / wegen der Huet vnd Weyde gehabt / sich ins Flecken begeben / worvon die Ackerleute in Calvorde ihren Vrsprung genommen / vnd die zum Dorff Ysern gehörige Landerey / gegen Abstattunge gewisser Korn-Pächte vnd Dienste / annoch gebrauchen / auch ihr Bawrecht vnd eigen Schultzen / so der Ysern Schultze genennet wird / haben. An dem Orte / da das Dorff gestanden / seynd von der Kirchen noch rudera verhanden.

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_091.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)