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Bardewik.

Ist jetzo ein offener Flecken / ein vierteil Weges von der Statt Lüneburg belegen / vor Zeiten aber eine grosse Statt gewesen / vnd wofern der gemeinen Rede Glauben beyzumessen / die älteste Statt in gantz Sachsenland. Soll erbawet seyn 2885. Jahr nach Erschaffung der Welt / vor Christi Geburt 990. Jahr. Wie solches erwiesen werden will mit etlichen Versen / so über der Thüre der Domkirchen daselbst annoch angeschrieben stehen / vnd also lauten:

Abram dum natus mox Treveris incipit ortus
Hinc annis Barduic mille sex X. quoque quinque
Post Barduic Roma duo C. cum quinque triginta
M. C. post Nat. junctis octoginta novemque
Dum Brunsuicensis dux Henricus Leo dictus
Simonis in festo Barduic subvertit ab alto.

Den Nahmen soll die Statt bekommen haben / wie Cranzius Saxoniae lib. 7. cap. 2. et Vandaliae lib. 3. cap. 6. schreibet / von ihrem fundatore Bardone. Meibomius aber / in historia Bardevici, widerleget denselben / vnd hält davor / daß die Barden / ein Mitternächtisch Volck / ihr den Nahmen geben haben Bardewick / als wolte man sagen / der Barden Wick / oder Burg. Es liget dieser Flecken in ebenem Felde / vnd fleusset nach dem Morgen werts die Elmenau vorbey. An der einen seiten ins Westen / liget ein stück erhabener Erden / Mannes hoch / in gestalt eines Walles / vnd wird davor gehalten / daß es noch ein stück von den alten Wällen sey.

Der Vmbkreiß dieses Fleckens ist zimlich weit / vnd weiter als der Statt Lüneburg / daher die grösse der vormahligen Statt abzunehmen. Wie sie noch in ihrem Wolstande gewesen / hat sie neun Kirchen gehabt / von welchen die Domkirche noch anjetzo im Stande ist / vnd der Gottesdienst darin verrichtet wird. Nebenst dem stehet noch die Kirche S. Viti zum theile / Capella B. Mariae virginis, der alte Thurn auff S. Johannis Kirchhoff / vnd ein alter Thurn auff S. Willehadi Kirchhofe / worauff die Leute noch begraben werden. So werden auch noch die Stellen gezeiget / da die Kirchen S. Stephani vnd Mariani gestanden / der übrigen zwey Kirchen stellen aber weiß man nicht mehr. Ist also Meibomius etwas vngleich berichtet / wann er geschrieben / adhuc novem templa superesse.

Wie die Statt noch im Stande gewesen / hat sie / gleich andern grossen Stätten / viel Handel vnd Wandel getrieben / vnd sich der Schifffahrt auff der Elbe vnd See / sonderlich nacher Dennemarck / vielfältig gebrauchet. Anjetzo bestehet der Einwohner grösseste Nahrung im Gartenbaw / dazu ihnen dann die vielen grosse in dem Flecken vorhandene ledige Plätze gar bequem fallen / Inmassen sie dieselbe mit Kohl / Rüben / Zwiebeln vnd dergleichen / in grosser menge besaamen vnd bepflantzen / vnd solche Gewächse nach Lüneburg / auch zu Schiffe die Aue hinab / nach Hamburg zu kauffe bringen.

Es ist sonst Bardewick in alten Historien zimlich bekant / vnd / im fall den historicis Glaube beyzumessen / das Evangelium Christi frühezeitig allda geprediget worden. Henricus Hervordiensis, vnd andere / die ihm gefolget / schreiben / S. Aegistus, einer auß den siebentzig Jüngern deß HErrn Christi / sey auff deß Apostels Petri Befehl in Teutschland kommen / vnd habe sich / sampt dem diacono Mariano, nach Bardewick begeben / daselbst das Evangelium geprediget / vnd der Kirchen vorgestanden / wären aber beyde von den barbarischen vnd vnglaubigen Völckern endlich vmbgebracht. Von Mariano wird in einem Chronico manuscripto diese Erzehlung / jedoch ohn meldung deß Autoris, woher sie genommen / eingeführet: Devotus Marianus evangelium Christi in

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_059.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)