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zu Zell / Herrn Hertzog Friederichen zu Braunschweig Lüneburg / hochsel. Andenckens / in Besitz genommen worden. Wie aber derselbe auch Anno 1648. diese Welt gesegnet / haben Sr. Fürstl. Gn. Herren Vettern / vnd respectivè Successor / Hertzog Christian Ludwig / vnd Georg Wilhelm / Gebrüdere / regierende Herren der Fürstenthümber Braunschweig Lüneburg / Zellischen vnd Calenbergischen Theils / solche Ober-Graffschafft / vermöge Vätterlicher Verordnung / vnd Brüderlichen Vergleichs / in gesampt an sich genommen / vnd biß anhero in solcher Gemeinschafft regieret. Die Aempter Vcht vnd Freudenberg / seyn von den Landgrafen zu Hessen / den Grafen zu Teklenburg vnd Bentheimb zu Lehen gegeben worden / welche Sie annoch besitzen.

In dieser Graffschafft ist überall die reine Evangelische Lehre / nach der Augspurgischen Confession / vnd andern libris Symbolicis, in Vbung / vnd hat dieselbe zu erst Graff Jobst / welcher im Jahr 1542. gestorben / angenommen vnd eingeführet / vnd die Kirchen von den Päpstischen Irrthümben vnd Aberglauben gesäubert.

Die Graffschafft Diepholtz / von dem Orte / da die Grafen ihren Auffenthalt gehabt / ebenmässig benennet / ist auch in Westphalen gelegen / vnd ein Stand selbigen Craises. Grentzet gegen Morgen mit der Graffschafft Hoya / gegen Mittag mit dem Fürstenthumb Minden / vnd Stifft Oßnabrükke / gegen Abend ist das Stifft Münster / vnd gegen Mitternacht die Graffschafft Oldenburg vnd Delmenhorst / theils auch das Hertzogthumb Bremen gelegen. Ist zwar / wie vor Alters der meiste theil der Graffschafften gewesen / nicht sonderlich groß / jedoch der Bodem darin gut vnd fruchtbar / hat gute Weiden vnd Wiesewachs / schöne fruchtbare Gärten / Aecker / vnd Felder / auch verschiedene kleine / jedoch fruchtbare vnd lustige Höltzungen / wiewol dieselbe bey gewärten Kriegsläufften sehr verhauen. An guter Viehezucht ermangelt es auch nicht.

Es hat diese Graffschafft vier Stättlein / als Diepholtz / Leuenförde / Barnstorff / vnd Cornou / imgleichen ein Jungfrawen-Kloster / Burlage genant / welches den Nahmen daher bekommen haben soll / daß zu Zeiten Keyser Karlen deß Grossen / die Sachsen / oder Sächsische Bauren / daselbst ihr Lager gehabt haben / als besagter Keyser ein Treffen mit ihnen gehalten. Wie dann ferner gemeldet wird / daß der Keyser / GOtt zu Ehren / wegen deß gegen ermeldete Sachsen erhaltenen Sieges / diesen Ort zu einem Kloster gewidmet. Es ist dieses Closter an dem Dummer See gelegen / davon hieunten bey Beschreibung deß Hauses Leuenförde / mit mehrem Meldung geschihet. Sonst ist auch ein Collegium Canonicorum vor diesem gewesen / in dem Dorffe Grossen / oder Marien Drebber genant / woselbst die Grafen von Diepholtz ihr Begräbnuß gehabt.

Die nunmehr außgestorbene Grafen von Diepholtz / vnd deren Vrsprung betreffend / ist zu vermuhten / daß Sie auch zu Zeiten Keyser Karlen deß Grossen ihren Anfang genommen. Der Erste / dessen in den Historien Meldung geschiehet / vnd davon die Genealogici das Geschlecht-Register anfangen / ist gewesen / wie bey Hamelmanno, Henningio, vnd andern zu sehen / Graff Wilhelm zu Diepholtz / der im Jahr 939. dem zu Magdeburg damals gehaltenem Turnier beygewohnet. Der Letzte dieses Gräfflichen Stammes / Graff Friederich / Edler Herr zu Bronckhorst / ist ohn hinterlassung Männlicher LeibesErben Todes verfahren / im Jahr 1585. Darauff Hertzog Wilhelm der Jünger / zu Braunschweig Lüneburg / als Lehenherr / die erledigte Graffschafft in Besitz genommen / vnd auff die Nachkommen / regierende Herren deß Hertzogthumbs Lüneburg / verfället.

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Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_046.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)