Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 041.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

festen Stein seyn / als wenn sie mit grossem fleiß / in form eines Gewölbes / hinein gehawen / hinter solchen grossen Höhlen oder Gewölben / finden sich immer fort / nach Abend vnd Mitternacht / mehr vnd mehr Höhlen / jedoch daß man offt auß einer in die ander / durch enge Löcher kriechen muß. Wenn man viel hundert Schritt darin fortgangen / vnd gekrochen / trifft man einen spitzigen Felsen zwischen zwo Klüfften an / das Roß genant / über welchen man hinüber hutschen / vnd hernach sich vnterweilen gar mit Stricken hinunter lassen muß / dann kömpt man erst in die rechten Höhlen / da die Knochen / wovon hernach / gefunden / vnd grosse Pfeiler oder Seulen / von lauter Tropffstein / angetroffen werden. Vnd dieweil per rerum naturam, in diesen locum subterraneum kein Tagesliecht hinein fallen kan / daneben sothane Höhlen sampt vnd sonders / mit stetigen dicken Dünsten vnd Nebeln angefüllet / vnd dazu stets Wasser von oben herab darein tröpffelt / ohn daß auch der Ort / wegen darin befindlicher Gespenst / sehr beschryen ist / als versamlen sich gemeiniglich der jenigen / so den Ort zu besehen willens / eine zimliche Gesellschafft / vnd versehen sich mit einer menge Fackeln / oder Liechter / sampt einem oder anderm Fewerzeuge / auff daß / wann etwa durch die dicke Dünste / oder Gespenst / die Liechter außgelöschet würden / dieselben wieder angezündet werden könten / brauchen auch / wann sie keinen Führer haben / der dieser Höhlen sehr wol kündig / das Mittel deß Theseus, von der Ariadne gelernet / vnd in dem Labyrinth gebrauchet / binden an dem Ort / da sie hinein gehen / oder kriechen / einen Strick / damit sie sich wieder herauß finden können / zumahl wann sich einer einmahl in den vnzehlich vielen Höhlen verwirret / vnmöglich ist / sich wieder herauß zu finden / wie man dessen Exempel an denen darin gefundenen todten Cörpern oder sceletis hat / darin bleiben / sterben vnd verderben muß.

Es ist aber kein Mensch / der da sagen könne / daß er dieser grausamen vnzehligen Höhlen ein ende wüste / oder gefunden hätte / wiewol ihrer viel gewesen / welche sich etliche Tage darin auffgehalten / vnd mit mehren demonstrationibus (daran es deß Orts Bergwerckskundigen Leuten nicht ermangelt) dargethan / daß sie vnter der Erden fast in die gegend der Keyserl. freyen Reichsstatt Goßlar kommen / welche vier grosser Teutscher Meilen vom Eingange dieser Hölen ist.

Etliche die gar weit hinein kommen / berichten / daß sie von ferne ein sehr grosses Wasser brausen gehöret / als wann ein starcker Fluß von einem hohen Felsen sich herab stürtzet. Viel wollen auch zwart fürgeben / als ob sie durch vnterschiedliche Gespenst / lange darinnen vmbgetrieben / vnd endlich starcke / eiserne / verschlossene Kisten / vnglaublicher grösse / darin angetroffen / welche von greulichen Hunden verwahret würden / welches alles man aber auff seinen Würden vnd Vnwürden / weil es illusiones deß bösen Feindes seyn können / beruhen lässet.

Dieses ist gewiß / vnd mit glaubhafften Leuten zu bezeugen / daß vngefehr für 65. Jahren / ein junger starcker Viehehirte auß dem Hartze / sich allein hinein gewaget / vnd weil er sich verirret / vnd ihm die Liechter darüber verloschen / gantzer acht Tage darinnen / mit grosser Angst vnd Schrecken / zugebracht / biß er endlich / durch Gottes sonderbahre augenscheinliche Schickung / herauß kommen / vnd noch eine gute Zeit gelebet / Es ist aber derselbe in solcher Zeit gantz eißgrau / vnd von den Gespensten über alle maß geängstiget worden / zumahl er von etlichen ergriffen / als ein Dieb angeklaget / vnd zum Galgen verdammet / geführet / vnd ihm der Strick vmb den Halß gethan worden / wann er von selbigen kaum erlediget / ist er einer andern Parthey in die Hände gerahten / von denen er als ein Mörder zum Tode verdammet / vnd also fort von vielen andern / auff viel andere Manier / vffs eusserste geplaget / vnd geängstiget worden.

Vber solche wunderbahre structur dieser erschröcklichen Höhlen / davon kein Mensch biß dahero einige beständige Ration beybringen können / befinden sich noch andere denckwürdige Sachen darinnen / zumahl bald im ersten Gang ein Brünnlein

Empfohlene Zitierweise:
Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_041.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)