Seite:Braunschweig Lüneburg (Merian) 012.jpg

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Ort / wo die Aller ihren Einfluß in die Weser hat / vorne ins Land Lüneburg / wie es jetzund heisset / einbrechen wolte / hat dieser Arminius, nebenst seines Vattern Brudern / dem alten Ingemeier, innerhalb wenig Tagen zwo grausame blutige Feldschlachten gethan / dabey die Römer zwar Ihnen den Sieg wollen zumessen / Sie seynd aber nicht weiter ins Land herein gerücket / sondern zurück gekehret / vnd hat Germanicus im Rückwege / als er in tausent Schiffe das Römische Volck gesetzet / vnd von der Embs in die See abgefahren / durch ein grosses Sturmwetter fast das gantze Römische Heer verlohren / daß Er vor Leyd sich selbst vmbbringen wollen / der Keyser Tiberius auch hat Ihn nach Rom darauff gefordert / mit diesen Worten: Satis eventuum, satis casuum: se novies à divo Augusto in Germaniam missum plura consiliis, quam vi perfecisse, vid. Tacit. lib. 2. annal. Vnd ob wol Strabo lib. VII. vermeldet / was gestalt der Germanicus wegen dieser berühmten Feldschlachten / zu Rom einen prächtigen Triumph gehalten / auch deß Arminii gefangene Gemahlin, Thusnelda genant / sampt ihrem Herrlein von drey Jahren / mit Nahmen Thumelius, elendiglich in dem Triumph gefangen geführet: So gibt dennoch Tacitus selbst dem Arminio, als der Römer ärgstem Feinde / dieses herrliche Zeugnüß: Arminius liberator haud dubiè Germaniae, et qui non primordia populi Romani, sicut alii Reges, Ducesque, sed florentissimum imperium lacesserit: praeliis ambiguus, bello non victus septem et triginta annos vitae, duodecim potentiae explevit: caniturque adhuc barbaras apud gentes, graecorum annalibus ignotus qui sua tantum mirantur. Romanis haud perinde celebris, dum vetera extollimus recentium incuriosi. Man lieset auch bey mehrgemeltem Tacito lib. 11. Annal. daß diese Cherusci, nach dem ihr Adel durch innerliche Kriege mehrentheils vmbkommen / vnd nur noch einer auß Königlichem Geblüt / nemblich deß Flavii Arminii Brudern Sohn übrig gewesen / Nahmens Italus, welcher zu Rom erzogen worden / von dannen denselben zum Könige erbeten / vnd abgefordert haben / wie es demselben bey seiner Regierung ergangen / was er für Widerwertigkeit dabey gehabt / davon ist an bemeltem Orte mit mehrem zu lesen.

In den nachfolgenden Seculis haben die Sachsen diese Lande eingenommen / vnd biß anhero / vnerachtet Sie von ihren Feinden mächtigen Anstoß zu Zeiten erlitten / auff ihre Nachkommen vnd Sächsische Posterität vnverrucket behalten. Die Sachsen haben vormals auch dergleichen ihrer Freyheit gemässe Art deß Regiments gehabt / dann ob gleich / wie oben gemeldet / das gantze Volck der Sachsen in drey andere Völcker / Ostphalen / Westphalen / vnd Engern ist vertheilet gewesen / hat doch jedwedes derselben Völcker zu Friedenszeiten keine gemeine Obrigkeit gehabt / sondern seyn in Goengauen oder Graffschafften vertheilet gewesen / vnnd haben die Graffen vnnd Schöpffen die Justitz verwalten müssen / Wann aber dieser Völcker einem ein Krieg eingefallen / (wie Witechindus lib. 1. schreibet) hat es einem Fürsten oder Hertzog / der das Kriegsheer zusammen gebracht vnd gehalten / erwöhlet / da sich auch ein allgemeiner Krieg gegen das gantze Volck der Sachsen erhoben / ist durch das Loß einer erkohren worden / dem Sie samptlich gehorchen müssen / Ein solcher Hertzog wird ohne Zweiffel der Wedekind zun Zeiten Carls deß Grossen gewesen seyn / vnd daher rühren / was von desselben Königl. Gewalt über alle Sachsen geschrieben wird / denn Er sonsten mehr nicht / als Hertzog in Engern gewesen / wie auß den Geschichten Carls deß Grossen mit mehrem klärlich zu ersehen / auch von Cranzio Saxon. lib. 2. c. 22. angeführet wird.

Nach dem bemelter Keyser Carl die Sachsen überwunden / vnd zum Christlichen Glauben bracht / vnd wol gemercket / daß dieses in Freyheit geborne streitbare Volck vielmehr durch die Religion / als durch Gewalt vnd die Waffen zu einem rechtmässigen Gehorsam zu bringen wäre / hat gemelter Keyser hin vnd wieder in dem SachsenLande Bisthümber gestifftet / auch die Sachsen dahin angehalten / daß Sie den Bischöffen

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Matthäus Merian: Topographia Braunschweig Lüneburg. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1654/1658, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Braunschweig_L%C3%BCneburg_(Merian)_012.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)