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Dieser Überblick gibt uns die Mittel in die Hand, um über Komposition und Herkunft unseres Kapitels ins Klare zu kommen. Denn es gehört jedenfalls zu den gesichertsten Ergebnissen unserer Kritik, daß unser Kapitel die Nerosage voraussetzt und weiterspinnt. Ja es treten uns in ihm, wie es scheint, die beiden Hauptformen der Nerosage deutlich entgegen. Denn Nero ist hier auf der einen Seite einer der römischen Imperatoren, der mit den Partherkönigen zur Zerstörung Roms wiederkehrt, auf der andern Seite das Tier aus dem Abgrunde, das im Bunde mit den Königen den Kampf gegen das Lamm führt. Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir hier bei der Härte, mit der die verschiedenen Anschauungen sich gegenübertreten, ein Anzeichen finden, daß in diesem Kapitel eine ältere Quelle verarbeitet ist. Und zwar werden wir diejenigen Verse, in denen die Anschauung von Nero als dem höllischen Widersacher des Lammes heraustritt, dem Bearbeiter letzter Hand, unserm Apokalyptiker, zusprechen. Diesem werden wir also jedenfalls den V. 14 und die mit V. 14 zusammenhängenden V. 12-13 zuweisen. Damit stimmt es denn auch vortrefflich, daß in den Versen 16-17 eine vollkommene Doublette zu V. 12-14 vorliegt. Ebenso werden wir dann mit Sicherheit dem Bearbeiter den V. 8 zuweisen. Denn wir finden in ihm auf das deutlichste die Anschauung vom Nero redivivus ausgesprochen, und jedes Wort erinnert uns hier an den Stil des Apokalyptikers letzter Hand (θαυμασθήσονται, οἱ κατοικοῦντες ἐπὶ τῆς γῆς; ὧν οὐ γέγραπται τὸ ὄνομα ἐπὶ τὸ βιβλίον τῆς ζωῆς ἀπὸ καταβολῆς κόσμου). Außerdem bildet er eine Doublette zu V. 11f. und steht an einer ganz unpassenden Stelle, nämlich vor dem Beginn der Deutung der Weissagung V. 9: ὧδε ὁ νοῦς ὁ ἔχων σοφίαν. Schwieriger ist es dann, über die Verse 10-11 zu entscheiden. Freilich gehört die Deutung der sieben Könige in V. 10 sicher der bearbeiteten Quelle an. Auf der andern Seite ist es fast ein Axiom bei einer Reihe von Kritikern, daß V. 11 einer andern Hand als V. 10 zuzuweisen sei. In künstlicher Weise soll hier die Rechnung mit sieben römischen Kaisern in V. 10 auf einen achten König erweitert sein. Der Apokalyptiker, der unter dem achten König schrieb, soll die unter dem sechsten Kaiser entworfene Rechnung vorgefunden und sie künstlich auf seine Zeit adoptiert haben, indem er den achten Regenten mit dem Tiere gleichsetzte. (So besonders bestimmt Harnack, Chronologie I 245f.) Ich glaube, daß sich gegen diesen Schluß doch einige Bedenken erheben lassen. Der Apok., der V. 10 schrieb, kann doch ebenfalls seine Weissagung kaum mit dem Hinweis auf das kurze Regiment des siebenten Kaisers geschlossen haben. Seine Weissagung würde unter dieser Voraussetzung der Pointe entbehren, man müßte denn annehmen, daß er nach dem siebenten Regiment einfach den Sturz des römischen Reiches durch die zehn Könige (die Parther) geweissagt habe. Zu dieser Annahme ist aber wieder kein Grund vorhanden, da die zehn Könige nie allein, sondern immer im Bunde mit dem Tiere auftreten. Nehmen wir aber an, der Schreiber von V. 10 wollte auch seinerseits die Weissagung von dem wiederkehrenden Nero vortragen, wie hätte er dann, da er einmal an das Bild von den sieben Häuptern, an die Überzeugung, daß Rom sieben

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 414. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S414.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)