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Sonnengott auf, um dann später den Erbfeind zu besiegen. Diesen Zug konnte die christliche Apokalyptik nicht verwenden. So verlegte der Apok., der diese Umdeutung vollzog, die Rettung des Kindes vor die Flucht des Weibes. Als Errettung des Kindes aber galt ihm die Entrückung zu Gottes Thron, die Himmelfahrt. Das gab dem Apok. dann Gelegenheit, einen zweiten Mythus von dem Himmelssturm des Teufels und seinem Sturz hier einzuflechten, da bei seiner Auffassung die endgültige im Mythus geschilderte Besiegung des Drachen durch das errettete Kind für ihn ganz an das Ende rückte. Dadurch wurde nun aber die ursprüngliche Erzählung zerrissen. Die Flucht des Weibes, durch welche ursprünglich das Kind gerettet wurde, wird nun bedeutungslos. Sie wird daher zunächst nur noch kurz erwähnt. Aber der, welcher den Mythus umdeutete, fand nachträglich, daß sich auch mit diesem Zug etwas anfangen lasse und brachte nun auch diese Szene V. 14ff. noch ausführlich nach. Wenn er das Weib auf das ideale Israel umdeutete, so ließ sich ja nun auch der Verfolgung des Weibes durch den Drachen ein vorzüglicher Sinn abgewinnen. In ihr konnte man die Nöte der ersten christlichen Gemeinde dargestellt finden.

8. Es wäre nun noch die Frage zu beantworten, wer Kap. 12 in der gegenwärtigen Form im wesentlichen zusammengearbeitet hat, ob wir hier die Hand unseres Apokalyptikers zu sehen haben oder die eines seiner Vorgänger. Zuzutrauen wäre jenem die Zeichnung des prachtvollen Bildes schon. Aber es scheint doch so, als wenn unser Apok. die Materie von Kap. 12 im wesentlichen bereits zugerichtet und bearbeitet vorfand. Dafür spricht schon die offenbar ungeschickte Stellung des Kap. 12 hinter Kap. 11, der Geburt des Messias hinter der siebenten Posaune. Müßten wir annehmen, daß der Apok. seinen Stoff frei geformt hätte, so wäre es doch höchst unerklärlich, wie er nach 11,19 von der Geburt des Messias an zu rekapitulieren beginnt. Anders verhält sich die Sachlage, wenn er Kap. 12 schon als feste und kompakte Masse vorfand und dann an dieser Stelle einarbeitete. Dazu kommt noch, daß der Zusammenhang innerhalb des Kapitels an einer Stelle brüchig ist und auf eine Überarbeitung schließen läßt. Die Aufforderung an die Himmlischen, sich zu freuen, und der Weheruf über die Erde V. 12 schließt sich eng an V. 9 an und steht mit V. 10 und 11 in einem gewissen Widerspruch. V. 10 und 11 zeigen überdies deutliche Spuren des Apokalyptikers letzter Hand. Ferner ist das hier vorliegende Stück sicher nur ein Fragment. Es fehlt zum Schluß der Sieg des mittlerweile zum Helden herangewachsenen Sonnenkindes über den Drachen. Dieser Schluß wird auch in den späteren Teilen der Apk nicht nachgeholt. Der Gegner, mit dem der wiederkehrende Messias Apk 19 kämpft, ist nicht der Drache, sondern das Tier. Es ist aber nicht anzunehmen, daß derjenige Apokalyptiker, der zum ersten Male die grandiose Idee faßte, den heidnischen Sonnenmythus seinem christlichen Siegeshymnus zugrunde zu legen, sich den packenden und so hervorragend passenden Abschluß jenes Mythus hätte entgehen lassen und nur einen Torso geschaffen hätte. Wenn wir aber einmal scheiden müssen zwischen dem Verfasser von Apk 12 und dem Apok. letzter Hand, so tun wir gut, vor allem auch den

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S356.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)