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dann die Verfolgung des Weibes auf Erden. Aus den ersten sechs Versen lasse sich keine klare und widerspruchsfreie Anschauung gewinnen. Durch eine Kombination beider Berichte gewinnt W. endlich folgenden Zusammenhang: Szene im Himmel, Kampf Michaels mit dem Drachen, Sturz des Drachen; Szene auf Erden: Verfolgung des Weibes, welches das Kind geboren hat, Entrückung des Sohnes, Flucht in die Wüste. Dann liege in V. 15-16: Errettung des Weibes, Verfolgung der übrigen vom Samen des Weibes, die beiden Parallelberichten zugrunde liegende gemeinsame Quelle vor. Wieder anders versucht J. Weiß das Kapitel sich zurechtzurücken. Er sieht in V. 6 (in Anlehnung an Spitta) eine verkürzende Vorwegnahme von V. 7-13 durch den Redaktor und nimmt weiter an, daß von diesem Redaktor im zwölften Kapitel zwei Quellen verschmolzen seien, deren eine von der Geburt des Messias, der Verfolgung des Weibes durch den Drachen und der Verfolgung der Söhne des Weibes handele, deren andre den Kampf des Drachen mit Michael und den Sturz des Drachen aus dem Himmel erzähle. Das letztere Stück (V. 7-12) spricht Weiß dann dem christlichen Urapokalyptiker, das erstere der eingearbeiteten jüdischen Quelle zu.

Und derartige Zurechtrückungen des zwölften Kapitels ließen sich, wie die bereits aufgestellte Tafel zeigt, durch Kombinationen und neue Einfälle vielleicht um ein halbes Dutzend vermehren. — Zu einleuchtenderen und gesicherteren Ergebnissen wird man m. E. doch erst dann kommen, wenn man nun wiederum die rein literarische Quellenkritik mit ihren teilweise wichtigen Beobachtungen auf eine einheitliche Erforschung der hier vorliegenden apokalyptischen Traditionen auch in ihren nichtjüdischen und nichtchristlichen Bestandteilen basiert, oder wenigstens jene mit dieser verbindet. Auch Gunkels verdienstvolle Forschungen in Schöpfung und Chaos haben an diesem Punkt nicht zum Ziele führen und die Sachlage nicht ganz klären können, weil sie nicht auf tatsächlich vorhandenes religionsgeschichtliches Material sich stützten, sondern allzu schnell vermeintliche babylonische Parallelen erst auf Grund unseres Kapitels postulierten. Es bleibt aber Gunkel das nicht zu unterschätzende Verdienst, dass er mit sicherem Blick den wesentlich fremdartigen, mythologischen, weder aus jüdischen noch aus christlichen Prämissen erklärbaren Grundcharakter der vorliegenden Vision erkannt und das große Fragezeichen für alle weitere Forschung hier errichtet hat.

5. Wir beginnen aber in unserer Umschau nach wirklichen religionsgeschichtlichen Parallelen unseres Kapitels mit der Ausscheidung eines Bildes, das zunächst ganz und gar aus jüdischen Prämissen begreifbar ist; das ist die Weissagung vom Kampf des Drachen mit Michael und dem Sturz des Drachen vom Himmel. Das scheint mir das bleibende Verdienst von J. Weiß’ Scheidungsversuchen zu sein, denen ich sonst nicht zustimme, dass er dieses Stück herausgegriffen und einer von dem Übrigen losgelösten Betrachtung unterworfen hat. Weiß sucht das Stück aus urchristlichen Prämissen heraus zu begreifen. Wir können aber hier noch etwas weiter zurückgehen und zunächst die allgemeineren jüdischen Voraussetzungen nachweisen, in denen diese Weissagung wurzelt. Eine direkte parallele dieses Satanssturzes finden wir

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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1906, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S350.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)