Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch mit Dstd. die Versiegelung als ein Symbol der Bewahrung vor den Versuchungen des letzten großen Kampfes auffassen; nicht vor diesem selbst sollen dann die 144 000 behütet werden, aber vor dem Unterliegen im Kampfe. Doch scheint mir schließlich diese Differenz in der Auslegung nicht allzu stark zu sein, die beiden Deutungen können sogar in einander übergehen. Wie dem aber auch sein möge, so steht es andrerseits fest, daß die ungezählten Scharen aus allen Völkern Märtyrer und zwar christliche Märtyrer der letzten großen Verfolgungsnot sein sollen.

Bei dieser Auffassung der vorliegenden Stücke hat nun die Kritik fast einstimmig die Unmöglichkeit der Annahme der literarischen Einheit von Kap. 7 behauptet. Man stützt sich dabei aber auf eine doppelte Erwägung: 1) Es erscheine unmöglich, daß derselbe Apokalyptiker, der seine Hoffnungen und seinen eschatologischen Gesichtskreis so bestimmt auf Israel beschränke, zugleich 7,9-17 geschrieben haben sollte. 2) Kap. 7,9-17 erscheine überhaupt vollkommen deplaziert, die Reihenfolge der Visionen werde aufs störendste unterbrochen, dem Inhalt nach gehöre dieses Gesicht ganz an das Ende.

Die meisten Kritiker schieben nun 7,9-17 aus diesen Gründen dem Redaktor (oder einem der Redaktoren) zu (Vlt., Vischer, Pfleid. I, Schmidt) und betrachten das Stück als eine Interpolation in eine jüdische oder judenchristliche Grundschrift. Die Unebenheiten in der Komposition des Kapitels fallen damit dem Redaktor zur Last. Anders urteilt Sp. Auch nach ihm stammen 7,1-8 und 7,9-17 von verschiedenen Händen. Aber 7,9-17 gehöre nicht dem Redaktor, sondern sei die Fortsetzung von Kap. 6 (also zur Quelle U gehörig). Damit rückt für ihn 7,9-17 wirklich an das Ende einer Apk, wohin es zu gehören scheint. Dagegen haben Erbes und Weyland versucht, durch Streichungen in dem Kapitel selbst die literarische Einheit herzustellen. Erbes beseitigt V. 4-8, Weyl. (ebenso Rauch) streicht V. 9 die Worte καὶ ἰδού – γλωσσῶν; ἐνώπιον τοῦ ἀρνίου, V.10 καὶ τῷ ἀρνίῳ, V.14 καὶ ἐλεύκαναν – ἀρνίου, V.17 τὸ ἀρνίον τὸ ἀνὰ μέσον τοῦ θρόνου; jener beseitigt also die jüdischen, dieser die christlichen Elemente des Stückes.

Es erscheint mir nun aber nicht unmöglich, gegenüber jenen Haupteinwänden die relative Einheit des Kapitels (mit Weizs., Sabat, Schön) festzuhalten. Gesetzt, der Verfasser der Apk war ein Judenchrist, ein Christgläubiger und daneben doch noch ein begeisterter Anhänger jüdischer Nationalität, wie dies schon aus 3,9 sehr wahrscheinlich geworden ist, so ist es gar nicht verwunderlich, wenn er des Glaubens lebte, daß am Ende der Dinge sein Volk eine besondre eschatologische Rolle spielen würde. Hat doch selbst Paulus in seiner Eschatologie daran festgehalten, daß das bekehrte Judenvolk dereinst am Ende zu großen Dingen berufen sei. Wenn ihm nun in der Eschatologie seines Volkes die Hoffnung überliefert war, daß in den letzten Zeiten des großen Abfalls und der allgemeinen Not eine große Zahl aus dem dann wieder in seinen zwölf Stämmen versammelten Israel aller Versuchung widerstehen und vom Verderben wunderbar errettet werden solle, — warum hätte er dann nicht mit Freuden auch diesen Zug in seinem apokalyptischen Gemälde verwerten und, was ursprünglich nur von Gläubigen Israels galt,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S288.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)