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noch ernsthaft habe reden können, und daß diese Beobachtung gerade eine allegorisierende Auslegung der Stelle nahelege. Doch läßt sich darauf erwidern, daß die Erwartung der Erneuerung des Zwölfstämmevolkes am Ende der Tage im Spätjudentum sehr verbreitet war (Antichrist 61. 65. 143). Ja, es finden sich sogar noch Spuren, die selbst dafür zeugen, daß auch sonst in der spätjüdischen Literatur die 12 Stämme als gegenwärtige vorhandene Größen behandelt werden. Bousset, Testament d. 12 Patr. ZnW I 206ff. So sind wir imstande, noch einigermaßen die hinter Apk 7,1-8 liegende apokalyptische Tradition zu erraten. Was nun der Apok. sich dabei dachte, wenn er diese so einfach herübernahm, kann erst weiter unten erörtert werden.

Die Seligen vor Gottes Thron.

7,9. μετὰ ταῦτα εἶδον [καὶ ἰδοὺ][1] ὄχλος(ν) πολὺς(ν), ὃν[2] ἀριθμῆσαι αὐτὸν[3] οὐδεὶς ἐδύνατο (den Relativsatz weist Sp. ohne sonderlich zwingende Gründe dem Redaktor zu), ἐκ παντὸς ἔθνους καὶ φυλῶν καὶ λαῶν καὶ γλωσσῶν (s. zu 5,9) ἑστῶτες(ας)[4] ἐνώπιον τοῦ θρόνου καὶ ἐνώπιον τοῦ ἀρνίου. Wer diese ungezählten Scharen sind, kann erst weiter unten ausgemacht werden. Durch die Betonung ihrer Unzählbarkeit soll jedenfalls die bestimmte Angabe von den 144 000, die der Apok. ja übernahm, übertrumpft werden. Das Stehen vor dem Thron kann kaum etwas anders bedeuten, als den Zustand der vollkommenen Seligkeit vor Gottes Angesicht. Gegenüber Vischers Streichung des ἀρνίον in der ganzen übrigen Apk beachte man, wie hier in einem Abschnitt, der nach Vischer vom Redaktor stammt, das ἀρνίον auf den ersten Blick genau so interpoliert zu sein scheint wie an manchen andern Stellen. περιβεβλημένους(οι)[5] στολὰς λευκάς. Gut bemerkt B. Weiß: wie die Märtyrer 6,11, deren Zahl hier voll geworden zu sein scheint. Über die weißen Kleider s. z. 3,5; 6,11. καὶ φοίνικες(ας)[6] ἐν ταῖς χερσὶν αὐτῶν. Vgl. Joh 12,13; II Makk 10,7. Buch das Attribut der Palmzweige weist auf einen erkämpften Sieg und Freude und Frieden nach dem Kriege hin, so daß auch hiernach der Gedanke naheliegt, daß die ungezählte Schar die Schar der Märtyrer ist. Weiße Kleider und Palmzweige sind übrigens so naheliegende, in sich selbst verständliche Attribute, daß man nicht nötig hat,


  1. > A vg. c s¹ sa. ae. Cypr. Pr. (nicht Tic.) (C > ιδον) und dann οχλον πολυν A vg. c s¹ ae. Cypr. Pr. Es scheint mir doch das Wahrscheinlichste zu sein, anzunehmen, das in A etc. das και ιδου per Homoiotel. ausgefallen sei. Der Apok. liebt die Wendung και ειδον και ιδου. Auch erklärt sich so am besten das Schwanken des Kasus im folgenden εστωτες-περιβεβλημενους-φοινικες (genau wie 14,14).
  2. A και, was B. Weiß fälschlich in den Text aufnimmt.
  3. > αυτον Q Rel. (vg. Cypr. Pr.).
  4. εστωτες ℵAP An.; Q Rel. -ας; (C -ων); dagegen ist im Folgenden die Unregelmäßigkeit περιβεβλημενους mit allen gegen ℵcP An.¹²³ vg. Tic. Vict. (Cypr. Pr.) vielleicht stehen zu lassen.
  5. Siehe letzte Anmerkung.
  6. Man kann schwanken, ob φοινικες mit ℵcAP An. s¹ g vg. (Cypr. Pr.) oder φοινικας ℵQ Rel. zu lesen ist. Da ein relativ neuer Satz beginnt, so mag vielleicht φοινικες das ursprüngliche sein (B. Weiß).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. , Göttingen 1906, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S284.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)