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An die synoptische Sprache erinnern sehr viele Wendungen: die Ermahnung zum Wachen, die Verheißung der weißen Kleider, des himmlischen Mahls, das Kommen des Herrn wie das des Diebes in der Nacht. Direkte Berührungen liegen vor 1,7f.; 3,5; 3,20f. Es finden sich spezielle Anklänge an Matthäus (1,7f.; 3,5) und an Lukas (3,5.20). Ferner scheinen unter den paulinischen Briefen Kol (vgl. mit 1,18; 3,14 Kol 1,15.18. [I Kor 15,20]) und Th (vgl. 2,2 und I Th 1,3; 3,3 und I Th 5,2; 3,10 und II Th 3,5) benutzt zu sein (vgl. noch 3,19 mit Hbr 12,5f.). Beachtenswerte Parallelen finden sich zu Jak. Beachte die Wendungen: στέφανος τῆς ζωῆς Jak 1,12; die Hervorhebung der πειρασμοί; zu 3,20 Jak 5,8 ἰδοὺ ὁ κριτὴς πρὸ τῶν θυρῶν ἕστηκεν; den Begriff νεκρός Apk 3,1; Jak 2,17; die energische Betonung der ἔργα (Sp. 521). Eine literarische Beziehung beweisen alle diese Beobachtungen nicht. Zu II Pt und Jud besteht auch nach Sp. keine andre Beziehung als die Benennung der Irrlehrer mit dem Namen Bileams. Zu erwähnen sind endlich noch die Beziehungen zu I Pt. Eine Gedankenparallele liegt unstreitig 1,5f.; 5,9f. (7,15) vgl. I Pt 1,18f.; 2,9 vor. Die Doxologie 1,6 findet sich wörtlich I Pt 4,11: ᾧ ἐστιν ἡ δόξα καὶ τὸ κράτος εἰς τοὺς αἰῶνας τῶν αἰώνων. Ferner sind zu vergleichen die Ausdrücke: I Pt 5,4 τὸν ἀμαράντινον τῆς δόξης στέφανον (2,10), I Pt 2,16 δοῦλοι θεοῦ, die Zurückführung der Verfolgungen auf den Teufel I Pt 5,8f.[1]. Die Berührungen sind in der Tat auffällig und weisen wenigstens darauf mit Bestimmtheit hin, daß die Sendschreiben der Apk und I Pt in derselben geschichtlichen Situation, dem Beginn des Kampfes zwischen römischem Staat und Christentum, geschrieben sind.

6) Spezielle Andeutungen für die Zeitbestimmung der Sendschreiben. Mit der Angabe 1,9 ist nicht viel anzufangen. Selbst wenn es wahrscheinlich wäre, daß hier ein Exil des Johannes auf Patmos gemeint sei, so variierte doch die Tradition in der Angabe der Zeit dieses Exils. — Ein zweites und besseres Indicium ist die sicher bezeugte Nachricht, daß Laodicea 60/61 in einem Erdbeben zerstört wurde. Dies Erdbeben war nach der Schilderung des Tacitus ein so bedeutendes Ereignis, daß man seine Erwähnung in dem Sendschreiben erwarten sollte. Eine solche Anspielung auf diesen Vorfall liegt nun aber 3,17 nicht vor (s. den Kommentar). Dann aber bleibt kaum etwas andres übrig, als entweder mit Sp. die Briefe vor 60 anzusetzen, oder mit ihnen eine geraume Zeit, etwa ein Menschenalter hinunterzugehen. Alle bisherigen Erwägungen drängen zu dem Letzteren, und so führt uns auch diese Beobachtung in die Zeit hinab. — Noch weiter mit dem Ansatz der Sendschreiben (mit Vlt.) hinunterzugehen liegt m. E. wenigstens in diesen selbst kein zwingender Grund vor.

7) Nach alledem können wir uns an die kritische Lösung des Problems machen, das die Sendschreiben uns stellen: In welchem literarischen Verhältnis stehen diese zu den übrigen von ihnen völlig verschiedenen Partien des Buches? Eines scheint jedenfalls festzustehen: Für sich allein haben diese Kapitel niemals


  1. Vgl. hier noch I Pt 5,13: die Bezeichnung Roms als Babel, καταβολὴ κόσμου 13,8; 17,8; I Pt. 1,20.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S241.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)