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was wir von ihr hören, die thyatirenische Isabel eine konkrete Persönlichkeit ist. Alle Deutungen, welche in ihr nur ein Symbol für eine Richtung, eine Partei sehen, sei es eine ultrapaulinische, sei es eine libertinistische, sind abzulehnen. Schürer (die Prophetin Isabel in Thyatira; Theol. Abh. C. v. Weizsäcker gewidmet 1892) hat nachzuweisen versucht, daß die Isabel eine Prophetin des in Thyatira vorhandenen Heiligtums der chaldäischen Sibylle gewesen sei. Einen solchen Tempel der Sibylle habe es dort tatsächlich gegeben. Corp. incr. Graec. 3509: Φάβιος Ζώσιμος κατασκευάσας σόρον ἔθετο ἐπὶ τόπου καθαροῦ ὄντος πρὸ τῆς πόλεως πρὸς τῷ Σαμβαθείῳ ἐν τῷ Χαλδαίου περιβόλῳ ... ἐγένετο ἐν τῇ λαμπροτάτῃ Θυατειρηνῶν πόλει ἀνθυπάτῳ Κατιλλίῳ Σεβήρῳ. Das Sambatheion im Chaldäischen Bezirk sei das Heiligtum der Sambethe gewesen, der chaldäischen Sibylle nach dem Prolog der Sibyllinen (VI Jh.), aber auch schon nach Pausanias (Alexander Polyhistor), der den Namen Sabbe für die orientalische Sibylle kenne; Descr. Graec. X 12,9: ἐπετράφη δὲ καὶ ὕστερον τῆς Δημοῦς παρὰ Ἑβραίοις ... γύνη χρησμολόγος, ὄνομα δὲ αὐτῇ Σάββη. Βηρώσσου δὲ εἶναι πατρὸς καὶ Ἐρυμάνθης μητρός φασι Σάββην. οἱ δὲ αὐτὴν Βαβυλωνίαν, ἕτεροι δὲ Σίβυλλαν καλοῦσιν Αἰγυπτίαν. Da wiederum bei Ps. Justin, Cohortatio ad Graecos 37, die chaldäische Sibylle Tochter des Berosus genannt werde, Σάββη auch sprachlich = Σαμβήθη sei, so sei in der Tat erwiesen, daß es in Thyatira ein Heiligtum der chaldäischen Sibylle Sambethe gegeben. Da ferner ein hoher Regierungsbeamter L. Catilius Severus sich unter Hadrian (vielleicht schon unter Trajan) nachweisen lasse, so werde wahrscheinlich, daß dies Heiligtum der Sibylle bereits zur Zeit der Apk bestanden haben könne. So dränge sich die Kombination auf, daß man in dem Weib Isabel die Prophetin (Priesterin) des Sambatheions zu sehen habe[1]. Die Ausführungen Schürers sind hinsichtlich des Nachweises eines chaldäischen Heiligtums in Thyatira sehr interessant. Aber ich glaube nicht, daß sie zur Erklärung der Apk irgend etwas austragen. Es ist gar nicht einzusehen, mit welchem Recht man die christliche Prophetin Isabel mit der heidnischen (im günstigsten Fall halbjüdischen) Prophetin des Sambatheions identifizieren darf, vorausgesetzt, daß im Sambatheion eine solche Prophetin wirklich existierte. Die Prophetin Isabel kann nur als die Führerin einer Bewegung innerhalb der christlichen Gemeinde aufgefaßt werden. Sie steht genau in demselben Verhältnis zur christlichen Gemeinde wie die falschen Apostel, die Bileamiten und Nicolaiten. Sie befindet sich offenbar noch unter der Jurisdiktion der Gemeinde, denn dieser wird vorgeworfen, daß sie sie gewähren lasse. — Zahn (II 606. 612) der Schürers Versuch als Einfall und Phantasie abweist, trägt seinerseits, indem er sich auf die nach ihm „zweifellos echte“[2] Lesart γυναῖκά σου (s. o.) stützt,


  1. Hltzm.² (wie es scheint) und Vlt. III 410ff. akzeptieren die Ansicht Schürers. Letzterer sucht aus derselben für seine späte Ansetzung der Sendschreiben Kapital zu schlagen. Der Einfluß einer solchen außerhalb der Gemeinde stehenden Prophetin setze das Erlöschen der Prophetengabe in derselben voraus. — Gegen Schürer vgl. Hirscht p. 32.
  2. Die Lesart ist freilich einigermaßen gut bezeugt (s. o). Aber daß sie zweifellos WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt echt und die entgegengesetzte Lesart verwerflich sein soll, ist eine von den mit bekannter Sicherheit vorgetragenen grundlosen Behauptungen Zahns. Es ist gar nicht abzusehen, weshalb nicht schon nach den vielen vorausgehenden σου durch ein einfaches Versehen das σου in den Text gekommen sein könnte.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S217.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)