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Wesen vor Gottes Thron zwischen sechs und sieben schwankt. Was die vorliegende Stelle betrifft, so ist noch hervorzuheben, daß in ihr die Beziehung zur Mythologie des Polytheismus eine noch unmittelbarere ist, insofern hier nicht nach jüdischer Vorstellung von Engeln geredet wird, sondern von Geistern Gottes. Wenn diese sieben Geister in unserer Apokalypse dann noch durch sieben Fackeln, durch sieben Augen des Lammes, die über die ganze Welt ausgesandt sind (durch sieben Sterne), symbolisiert werden, so ist hier ebenso wie in den Parallelstellen des Sacharja, die ursprüngliche Beziehung der Geister zu den planetarischen Gottheiten noch einigermaßen deutlich[1] (vgl. die Erklärungen zu 1,12; 2,1; 4,5; 5,6; 8,2).

Bemerkenswert ist endlich auch, daß die sieben Geister an zweiter Stelle und nicht an dritter erwähnt werden. Die Erklärung, daß dies wegen der Beziehung auf Gott in ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ und wegen der langen Näherbestimmung des Wesens des Ἰησοῦς Χριστός geschehen sei (Hirscht), oder daß Jesus Christus als der, welcher seinen Gemeinden am nächsten stehe, zuletzt genannt werde (Dstd.), reicht doch nicht aus. Die Stellung weist darauf hin, daß an die ursprüngliche (jüdische) Formel „Gott und die sieben Geister“ das speziell christliche Element erst angehängt wurde.

ἃ ἐνώπιον τοῦ θρόνου αὐτοῦ[2]. Zum Fehlen der Kopula s. S. 170. Die Vorstellung, daß die höchsten Geister direkt vor Gottes Thron stehen, ergibt sich bei den herrschenden orientalischen Vorstellungen vom königlichen Hofe von selbst (vgl. den Kommentar zu 8,2). Übrigens sitzen in der persischen Theologie die Ameshas Spentas auf ihren Thronen um Ahura Mazda (Archiv f. Religionswissensch. I 363). In der jüdischen Theologie ist die Unterordnung eine größere (doch vgl. Dan 7,9f. = Apk 20,4; auch Henoch 24).

1,5. καὶ ἀπὸ Ἰησοῦ Χριστοῦ, ὁ μάρτυς ὁ πιστός (3,14). Auch diese sprachliche Anomalie ist vielleicht noch absichtlich. μάρτυς kommt nur hier und 3,14 im NT als Anwendung auf Christus vor. Da im folgenden eine deutliche Anspielung auf Ps LXX 88,28 vorliegt, so mag der vorliegende Ausdruck aus 88,38 (καὶ ὁ μάρτυς ἐν οὐρανῷ πιστός) stammen. Die Worte sind nach dem Urtext auf Gott zu beziehen, wurden aber wohl sicher später messianisch gedeutet. Wegen der folgenden aufs Allgemeine gehenden Attribute ist auch μάρτυς allgemein zu fassen (weder mit ausschließlicher Beziehung auf das irdische Leben Jesu, noch auf die folgende Apk). Jesus ist der treue Zeuge jeder göttlichen Offenbarung (Dstd. Hltzm.). – ὁ πρωτότοκος[3] τῶν νεκρῶν καὶ ὁ ἄρχων τῶν βασιλέων τῆς γῆς. Vgl. Ps LXX 88,28 κἀγὼ πρωτότοκον θήσομαι αὐτόν, ὑψηλὸν παρὰ τοῖς βασιλεῦσιν τῆς γῆς. Von dieser Parallele aus begreift sich der Ausdruck leicht; für einen christlichen Verfasser lag die Hinzufügung des τῶν νεκρῶν nahe.


  1. Der Zusammenhang zwischen dem Kultsymbol des siebenarmigen Leuchters (Ex 25,31ff. und Sach 4,2 vgl. Apk 1,12f.) und den Planeten war der jüdischen Überlieferung selbst nicht fremd. Josephus B. J. V 217; Ant. III 146. 182; Philo, quis rer. div. haer. 44 § 221ff. (Gunkel 126,4; 127,1.)
  2. Die Hinzufügung von εστιν in An. und die Variante „των“ ενωπιον sind ersichtlich Korrekturen [ℵA!].
  3. + εκ An.¹³.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S187.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)