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καὶ ἐξομοιουμένων ἀγαθῶν ἀγγέλων στρατὸν, πνεῦμά τε τὸ προφητικὸν[1] σεβόμεθα (vgl. I Tim 5,21; Athenagoras, Suppl. c 10 [11 A] u. 24 [27 A]). Die sieben Geister werden außer 3,1 noch zweimal in der Apk erwähnt, 4,5 sind es die sieben Fackeln vor Gottes Thron, 5,6 die sieben Augen des Lammes. Damit dürften wir vielleicht kombinieren, daß Christus inmitten von sieben goldnen Leuchtern erscheint 1,12 und sieben Sterne 1,16.20 in seiner Hand hat. Es fragt sich, woher diese Vorstellung von sieben Geistern stammt. Der Verweis auf Sach. 3,8ff. und 4,2, wo von sieben Sternen (sieben Augen Gottes) und sieben Leuchtern die Rede ist, hilft uns zunächst nicht weiter, da er nichts wirklich erklärt. Tatsächlich hat man später aus Jes 11,2 die Vorstellung von dem siebenfältigen Gottesgeist oder den sieben Geistern bewiesen. Doch mußte man die Siebenzahl erst mühsam aus dieser Stelle herausrechnen, da hier nur sechs Gaben des Geistes aufgezählt sind. Wie aus Justin, Dialog 87 (314 D vgl. 314 B)[2] „πνεῦμα σοφίας ... συνέσεως ... βουλῆς ... ἰσχύος ... εὐσεβείας ... φόβου ... γνώσεως“ ersichtlich ist, gewann man die Siebenzählung durch Heranziehung von Jes 11,3 (πνεῦμα φόβου). Ebenso wie Justin deutet das Targum Jonathan[3] zu Jes 11,2 die Stelle (Gfrörers II, 249). Auch auf einen sechsfachen Gottesgeist wird die Stelle richtig gedeutet (Pirke R. Eliesers, Kap. 3. Gfrörer, II, 249). So legen denn auch schon die ältesten Ausleger der Apk (Victorin, Andreas, Primasius [Ticonius?]) die Stelle mit Beziehung auf Jes 11,2 aus. — Aber deutlich ist, daß die Anschauung von den sieben Geistern nicht aus Jes 11,2 entstanden sein kann. Es könnte sich nur fragen, ob nicht schon der Apok. durch haggadische Auslegung dieser Stelle zu der Anschauung gekommen sein könnte. Doch deutet darauf keine einzige Spur. Höchstens könnte man dafür ins Feld führen, daß Apk 5,6 das Lamm im Besitz der sieben Geister erscheint, eine ähnliche Idee, wie sie Justin in der genannten Stelle (vgl. auch Dialog 39. 258 A) aus Jes 11,2 entwickelt. Auch zeigen sich daneben in dem Vorstellungsmaterial der Apk manche von hier aus unauflösliche Elemente (die sieben Fackeln 4,5, die Augen 5,6, die Sterne 1,16.20).

Vor allem aber zeigt die vorliegende Stelle einen ganz andern Stil, als jene spiritualisierenden Vorstellungen. Es steht hier eben nicht, daß der Messias in Besitz von sieben Geistern sei, sondern ganz real und konkret stehen die sieben Geister neben dem Χριστός. Was wir hier vor Augen haben, ist eine Vorstellungsform polytheistischer Mythologie, von der von vornherein behauptet werden darf, daß sie weder auf alttestamentlichem noch auf neutestamentlichem Boden gewachsen ist, wenn auch unser Apok., als er sie aufnahm, von deren ursprünglicher Bedeutung und Herkunft wohl kaum noch eine Ahnung gehabt hat. Vielmehr werden wir schließen dürfen, daß die Annahme von sieben Geistern aus einer Religion stamme, in der die Verehrung


  1. Bei Justin steht bereits der Geist neben den Engeln (Geistern).
  2. cf. Cohortatio ad Graecos 32 (31 B): ὥσπερ οἱ ἱεροὶ προφῆται τὸ ἓν καὶ τὸ αὐτὸ πνεῦμα εἰς ἑπτὰ πνεύματα μερίζεσθαί φασιν.
  3. Auch Henoch 61,11 (anders 49,3) werden sieben Formen des Geistes aufgezählt. Prv 9,1 ist kaum hierher zu ziehen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S185.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)