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Krieges, 12,1-10 um die Zeit des Auszugs der Christen aus Jerusalem, 13 unter Vespasian, 17 unter Domitian. Die Spuren spätester Zeit findet er in den Sendschreiben. In Wzs.s kurzer Ausführung ist m. E. der Keim zu einem richtigen Verständnis der Apk enthalten.

In demselben Jahre aber erschien von ganz andrer Seite und mit andern Gesichtspunkten eine Arbeit, welche die ganze Frage mit einem Schlage in Fluß brachte. Eberhard Vischer[1] (unter Zustimmung seines Lehrers Harnack) ging von dem Nachweis aus, daß die entscheidenden Kapitel der Apk 11 und 12 nur unter der Voraussetzung jüdischen und nicht christlichen Ursprungs zu verstehen seien. Die Hoffnung, daß der Tempel in Jerusalem erhalten bleiben werde, die Erwartung zweier Zeugen vor der Wiederkunft des Messias seien jüdisch und nicht christlich. Kap. 12 berichte von einer vorläufigen Geburt des Messias (im Himmel) am Ende der Dinge und nach der siebenten Posaune. Das könne ebenfalls nur vom Boden des Judentums aus verstanden werden. Für die Idee eines doppelten Erscheinens des Messias wies Vischer außerdem eine jüdische Parallele nach. Auf Grund dieser Beobachtungen und bei der Überzeugung von der literarischen Einheit der Apk — Vischer verweist mit vollem Recht auf den im ganzen Buche herrschenden gleichen Sprachcharakter — schloß Vischer dann, die Apk sei eine wesentliche jüdische Schrift. Nur das spezifisch Christliche in ihr müsse als eingearbeitet betrachtet werden. Dahin gehörten ihm natürlich die Kap. 1-3, ferner 5,9-14; 7,9-17; 11,8b; 12,11; 13,9-10; 14,1-5.12-13; 15,3; 16,15; (17,6); 17,14; 19,9-10.11.13; 20,4-6; 21,5b-8; 22,6-21 und eine Reihe von einzelnen Wendungen: das häufig in der Apk vorkommende ἀρνίον wurde systematisch getilgt u. s. w. — Die Arbeit Vischers war ein genialer und glücklicher Wurf und hat, wie schon gesagt, unleugbar das Verdienst gehabt, die ganze Frage in Fluß zu bringen. Doch war es, wenn man den Verlauf der Entwicklung der Kritik übersieht, vielleicht nicht ganz glücklich, daß hier gleich am Anfang derselben als entscheidendes Kriterium die Frage, ob und wie weit die Apk jüdisch oder christlich sei, aufgeworfen wurde, eine Frage, deren Beantwortung nicht so einfach ist, wie sie aussieht, und die nach meiner Meinung erst ganz zum Schluß der Untersuchung erhoben werden darf. Es ist ferner zu bedauern, daß bei der Arbeit Vischers die Kontinuität der Untersuchung nicht gewahrt blieb und die absolute literarische Einheit der Apk für Vischer das Axiom ist, mit dem er an einem wichtigen Punkt seiner Kritik einsetzt. Die Annahme, daß die ganze Apk eine jüdische Schrift sei, aus der sich die christlichen Interpolationen noch beseitigen ließen, hat Vischer nur mit der größten Gewalttätigkeit an einigen Stellen durchführen können. Auch läßt sich nicht sagen, daß es V. gelungen wäre, seine These hinsichtlich der Kap. 11 und 12 ganz sicher zu stellen. Hinsichtlich Kap. 11 ist V.s Beweis in keiner Weise zwingend, und bei Kap. 12 wird die Sachlage durch die Zunahme jüdischen Ursprungs doch nicht viel klarer.


  1. Die Offenbarung Joh., eine jüdische Apokalypse in christlicher Bearbeitung mit einem Nachwort von A. Harnack. Texte u. Unters. II 3 1886, 2. Aufl. 1895.
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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S111.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)