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Weise umgedeutet und auf die Vergangenheit bezogen. Durch die Verwerfung des Chiliasmus in der Augustana XVII war man hier noch stärker als vorher gebunden. In den pietistischen Kreisen Deutschlands wurde der Bann gebrochen und die chiliastische Deutung der Apk auf den Schild gehoben. Im Pietismus trat der Chiliasmus aus der Reihe der Häresien, in welche er seit anderthalb Jahrtausend verbannt gewesen[1]. Freilich zum besseren Verständnis des Buches führte auch dieser Fortschritt kaum, die Auslegung wurde nur noch phantastischer und wilder. Spener, der im übrigen die Beziehung der Weissagung der Apk auf Türken und Papst aufrecht erhielt, deutete das 1000jährige Reich „auf einen Zustand des Glanzes, der Juden- und Heidenbekehrung, der allgemeinen Regelung des Gemeinschaftslebens nach dem Maßstabe Christi“. (Behauptung der Hoffnung künftiger besserer Zeiten 1693.) Die einflußreichste den Chiliasmus vertretende Auslegung wurde die von Campegius Vitringa, ἀνάκρισις apocalypseos Joannis apostoli, Franecker 1705 (nach Walch 776). Er scheint im großen und ganzen stark von Mede abhängig zu sein[2], unterscheidet sich aber von ihm dadurch, daß er mehr auf die Rekapitulationstheorie zurückgreifend (Coccejus) schon mit dem sechsten Siegel das Ende eintreten und in den sechs Siegeln die ganze Kirchengeschichte geweissagt sein läßt. Aber in der kirchengeschichtlichen Ausdeutung der sieben Sendschreiben, in der Deutung der Posaunen, namentlich der sechsten, des Kap. 12, des Tieres, der Schalen, des tausendjährigen Reiches lehnt V. sich direkt an Mede an. Er betont mit aller Kraft, daß das 1000jährige Reich in der Zukunft liege unter offener Verteidigung der chiliastischen Auslegung der alten Kirchenväter. Und mit seiner Auslegung hat er die chiliastische Stimmung in den Kreisen des Pietismus mächtig bestärkt. Der Kommentar ist übrigens reich an Ausführungen rein grammatischer und exegetischer Art[3]. Auch Jacobus Abbadie (ouverture des sept sceaux par le fils Dieu ou le triomphe de la providence et de la religion. Amstelod. 1721. 1-2) erwartete das 1000jährige Reich in der Zukunft als Frucht einer unternommenen Kirchenreform (Holtzmann² 285). Sein Kommentar ist ein unsagbar breites Werk (zwei Quartbände von je etwa 900 Seiten), darin unter anderm eine Geschichte der Christenverfolgungen, der Kreuzzüge, der Türken, eine Abhandlung über das Fegefeuer. Der Kommentar ist etwa im Stile Medes gehalten, nur daß A. alles vom siebenten Kapitel an Folgende für den Inhalt des siebenten Siegels hält. — Chiliastisch ist weiter die Deutung A. Drießens


  1. Vgl. zum folgenden Holtzmann² 285.
  2. Über den Chiliasmus Medes und seiner Nachfolger s. o. S. 90. — In England, wo man nicht an das Urteil der Augustana gebunden war, konnte natürlich die chiliastische Auslegung leichter aufkommen.
  3. Nachfolger Vitringas sind Ch. Joh. Bomble, analysis nec non chronotaxis Apoc. 1721 und van den Honert, dissertationes apocalypticae 1736 (Lücke 1035,1); ferner Gustav Reinbeck, kurze Erörterung des Hauptinhalts der hlg. Offenb. St. Joh. statt d. 16., 17. u. 18. Beitrags des freiwilligen Hebopfers z. Prüfung übergeben. Berol. 1722 (die Auslegung teilweise endgeschichtlich). D. I. Dimpel, Einl. in d. Offenb. Joh. Lips. 1730 (ebenfalls teilweise endgeschichtlich). Chr. A. Loesecken, Erkl. d. Offenb. Joh. Hal. 1731 (in dem Bibelwerk des M. Laurentius, vgl. Walch 766f.).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S100.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)