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wurde ihm zugeschickt: per optimos viros ab extremis finibus Germaniae nempe e Sarmaticis Livonicisque. — Der Kommentar ist im Jahre 1390[1]geschrieben. Er scheint aus der unmittelbaren Umgebung Wycliffes zu stammen. Die Überzeugung, daß tausend Jahre nach dem Leiden Christi der Antichrist in die Kirche eingebrochen sei, teilt auch der Verfasser. Die ganze Auslegung der Apk wird ihm zu einer Streitschrift wider den Papa antichristus. p. 60A findet sich eine scharfe Polemik gegen die Indulgenzen, p. 64A führt der Verfasser mit Wycliffe Polemik gegen die Bettelmönche. Er kennt (p. 60B) das Erdbeben von 1382, das in Wycliffes Leben eine große Rolle spielt. Er spricht 130B von „quilibet praedicator de corpore Christi mystico existens“. Der erste Posaunenengel ist der „qui primus omnium papam Romanum declarat Antichristum“ 78A. — Es gewinnt endlich nach den Ausführungen über die beiden Zeugen den Anschein als schreibe der Verfasser im Gefängnis[2]. Bengel vermutete daher vielleicht mit Recht, daß der Verfasser des Kommentars Joh. Purväus ein Schüler Wycliffes sei, der im Gefängnis (1390) nach seines Meisters Lektionen den Kommentar verfaßt habe.

Der Kommentar zeigt keine Beeinflussung von Seiten Joachims. Zitiert sind die glossa interlinearis (63B), Augustin (82B), Beda (83A), Haymo (75). Im Anfang findet sich das gebräuchliche Schema der Erklärung. Aber schon beim vierten Siegel sind die „hypocritae“ oder „falsi fratres“ der gewöhnlichen Auslegung die Anhänger des Papsttums geworden. Vom sechsten Siegel an ist alles auf die letzte Zeit bezogen und jedes Wort eine bittere, schneidende Polemik gegen das Papsttum. Im sechsten Siegel sieht der Verfasser das unheilvolle Schisma der römischen Kirche geweissagt, namentlich gegen Urban VI. (1378-89) richtet er seine Polemik. Die alte Einteilung der Apk in sieben Visionen behält er bei.

So verläuft also die Geschichte der Auslegung der Apk vom vierten bis ins dreizehnte und vierzehnte Jahrhundert hinein unter dem Einfluß hauptsächlich zweier Werke, der Kommentare des Ticonius und des Joachim von Floris. Es haben sich bis jetzt zwei Stilarten derselben herausgebildet; eine vollkommen nüchterne,


  1. 170 heißt es: per annos mille, scilicet a tempore passionis Christi usque ad antichristum. sed mille anni elapsi sunt a passione Christi et ultra trecenti quinquaginta septem, quia Christus passus est tricesimo tertio suae aetatis anno, qui additi numero faciunt trecentos nonaginta annos, quae est praesens data nostra, quia sumus in anno ab incarnatione (sollte heißen passione) Chr. milesimo trecentesimo quinquagesimo septimo, ergo trecenti septuaginta (sollte heißen quinquaginta) septem anni elapsi sunt, postquam antichristus primo regnavit. Der Text ist verderbt, werden die genannten Verbesserungen eingesetzt, so ist alles klar. Man darf sich durch die Fehler im Text nicht verleiten lassen 1357 als Zeit des Kommentars zu bestimmen. Im Kommentar selbst ist 61B das Jahr 1382, 122B gar 1389 erwähnt.
  2. Vgl. 101ff. (104: et steterunt .... super pedes suos i. e. propriis doctrinis tam in carcere elaboratis incumbunt, qui prius minus instructi et nimis debiles contra antichristum fuerunt, tam propter defectum sanctitatis vitae, quam intellectus scripturarum, quibus longa vexatione virtutis et studii jam sufficienter imbuuntur).
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 082. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S082.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)