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mächtiger und schwoll zu ungeahnten Dimensionen an, bis aus dem gärenden Chaos die Reformation Luthers geboren wurde, während dann freilich nach Konsolidierung der reformierten evangelischen Kirchen die Eschatologie in den Winkel gedrängt wurde und wieder ein bescheideneres Dasein weiterführte.

7. Die Apokalypse bei den Vorreformatoren.

Es wäre eine lohnende Aufgabe, den mannigfaltigen Einflüssen der Apk auf die sogenannten vorreformatorischen antikatholischen Gemeinden und Kirchenbildungen nachzugehen[1]. Besonderes Interesse verdienen hier die Vorläufer Hussens in Böhmen. Was Neander an Auszügen aus Miličs Schrift de antichristo und aus Matthias v. Janows Werk „de regulis veteris et novi testamentum“ mitteilt, berechtigt zu dem Schluß, daß auch diese Reformer mit ihren Grundgedanken in den mittelalterlichen eschatologischen Ideen und speziell in joachimitischen Gedanken wurzeln[2].

Wycliffe selbst schrieb seine erste Schrift über die letzten Zeiten der Kirche als eine Frucht seiner Studien der Weissagung des Abtes Joachims[3]. Seit den Verhandlungen von Brügge[4] scheint W. überzeugt gewesen zu sein, daß das Papsttum das Antichristentum sei. In dem Dialogus[5] führt er seine Deutung von Apk 20 aus. In dem zweiten Jahrtausend der Kirche (bei Beginn desselben) sei der Satan von neuem losgelassen, die Kirche sei damals von der Nachfolge Christi abgefallen. Daher seien die Bestrebungen frommer Männer Franciskus und Dominikus entstanden. Die ihnen folgenden entarteten Mönchsorden greift W. freilich aufs heftigste an. Aber der Zusammenhang mit Joachim ist deutlich.

Direkt von einem Schüler W.s stammt der commentarius in apocalypsin ante centum annos editus[6], den Luther (Wittenberg 1528) als ein Wahrheitszeugnis aus früherer Zeit herausgegeben hat. Der Kommentar


  1. Lücke teilt 1011 mit, daß die Waldenser die dreieinhalb Zeiten der Herrschaft des Antichrist auf 350 Jahre berechnet. Lückes Notiz geht wahrscheinlich auf Bengel, erklärte Offenb. Joh. (3. Aufl. S. 1110) zurück. Bengel, der dazu die 350 Jahre des Ticonius vergleicht, verweist auf Vitringas Kommentar z. Apk p. 464. Vitringa aber trägt hier nur eine Vermutung Scaligers vor, der die 350 Jahre von den Waldensern bis zu Luthers Reformation rechnete. Daß die Rechnung auf die W. zurückführt, ist hier nicht gesagt. Über eventuelle Beziehung der „Nobla Leiczon“ der W. zur Weissagung Joachims vgl. Lehrb. d. Kirchen-Gesch. I hrsg. v. Bonwetsch 1899 S. 270.
  2. Miličs Schrift ist in dem noch ungedruckten Werk Janows erhalten. Vgl. Neander VI 234f. (Milič), VI 255ff. (Matthias v. Janow).
  3. Neander VI 176.
  4. Ebenda 178.
  5. Ebenda 224.
  6. Ein Exemplar dieser seltenen Ausgabe befindet sich in der Göttinger Bibliothek 8. Theol. bibl. 236a.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 081. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S081.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)