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(zu Apk 14,7) über den tertius ordo praedicatorum (praedicatores audacter dicentes veritatem). — Wir gehen nach den angeführten Beweisstellen kaum fehl, wenn wir annehmen, daß dieser Kommentar wenigstens in der Form von A [in B fehlen die charakteristischen Stellen] in reformerischen Kreisen, vielleicht in denen der spirituellen Franziskaner entstanden ist.

Im folgenden zähle ich vorgreifend die wenigen späteren Kommentare auf, die sich noch immer in demselben Geleise der Auslegung bewegen: 1) Hugo v. St. Caro[1] († 1263) beruft sich sehr oft auf die Glossa[2] (des Strabo ?), muß aber außer dieser noch andre Kommentare aus derselben Gruppe ausgeschrieben haben. 2) Interessanter ist das Werk des Dionysius Carthusius (v. Ryke)[3] (1402-1471). Dieser machte den Anfang eines gewissen wissenschaftlichen Kommentarbetriebs. Er kennt neben Augustin und Hieronymus: Beda, Haymo, Albertus Magnus, die Glossa, sogar Berengaudus. Er kennt auch den Nicolaus v. Lyra (s. u.) und sucht dessen andersartige Methode Schritt für Schritt zu widerlegen. Mit seinen eignen Auslegungen bleibt er ganz in dem alten Geleise. Selbst im 15. Jahrhundert wirkte die Auslegung eines Beda und Strabo noch nach. Der Kommentar des Pariser Theologen und Siegelbewahrers Gagnaeus[4] (16. Jahrh.) wandelt völlig in den alten Bahnen. Ebenso schließt sich der Menonit Zeger[5] aufs engste an die Auslegung Bedas an. Ebenso (nach Alcasar p. 11) der von Zeger bereits zitierte Titelmann.

So hat von Ticonius her bis tief ins Mittelalter hinein und darüber hinaus eine bestimmte Methode der Auslegung geherrscht, die in ihrer nüchternen, abstrakten Art seltsam absticht gegen den Charakter der Apk. Von nun aber wird das Bild ein andres. Es beginnt die eigentliche phantastische, apokalyptische Auslegung. Dieser Wandel hängt eng zusammen mit einem stärkeren Anschwellen der apokalyptisch-eschatologischen Stimmung in der späteren abendländischen Kirche. Als allmählich die tausend ersten Jahre der Kirche abliefen, da richtete sich auch der Blick der Christenheit mehr und mehr auf das Ende. Im X. und XI. Jahrhundert wird diese Stimmung eine herrschende, man wartete allgemein auf das Reich des Antichrist. Manch stolzer himmelragender Kirchenbau verdankt dieser überweltlichen Stimmung sein Dasein, die Kreuzzüge finden nicht zum wenigsten in dieser eschatologischen Stimmung ihren Untergrund (vgl. Lücke 1003). Die Bedrängnisse, welche die Christenheit vom Islam zu erleiden hatte, beförderte dieselbe. Da begann man auch die Apk in andrer Stimmung und mit andern Augen zu lesen.


  1. Postilla in universa Biblia. In dessen gesammelten Werken Colon. Agripp. 1521. Bd. VII. H. schrieb den Kommentar nach Alcasars Einleitung S. 68 um 1240.
  2. Einige Sätze finden sich wörtlich in Strabos Glossa (zu Apk 6,5ff. und 21,3), andre habe ich nicht identifizieren können (zu Apk 13,18 und 20,1). Meint Hugo hier die Glossa interlinearis (mir nicht zugänglich), oder besaß er die Glossa des Strabo in ausführlicherer Form?
  3. Von mir benutzt: Enarrationes in epist. omnes canonicas, acta apostol., apocal. I. Colon. 1534. Nach Alcasars Einleitung 69 soll Dionysius den Kommentar zur Apk 1470 geschrieben haben.
  4. Vgl. Biblia sacra, Venetiis 1757, Tom 28.
  5. Scholia in omnes N. T. libros 1555, aufgenommen in den „Critici sacri Anglicani“.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 072. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S072.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)