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mehr unmittelbar nach ihm, soll dann Nero der Selbstmörder als achter aus der Unterwelt wiederkehren. Außerdem verbindet V. in sehr interessanter Weise mit dieser Nerodeutung die auch ihm geläufige Tradition vom Antichrist. Nero redivivus wird nach ihm unter falschem Namen und mit heuchlerisch veränderten Sitten als König der Juden auftreten (hunc ergo suscitatum Deus mittet regem dignum dignis Iudaeis). Er wird das Gesetz pflegen und die Christen zur Beschneidung zwingen. Und das zweite Tier, der falsche Prophet, wird bewirken, daß die goldne Statue des Antichrist im Tempel von Jerusalem aufgestellt werde. Die beiden Zeugen deutet er entgegen aller Tradition nicht auf Elias und Henoch, sondern auf Elias und Jeremias. Die 144 000 Gläubigen sind die in der Endzeit bekehrten Juden, Elias ist der Prediger der Endzeit, der die Juden bekehrt. Die zweite Hälfte von Kap. 12 bezieht V. mit allen Einzelheiten auf die Flucht der Gläubigen in der Zeit des Antichrist (die Wasser auf die verfolgenden Heere, die Hülfe der Erde auf plötzliche wunderbare Errettung, die beiden Flügel des Weibes auf die beiden Propheten). Kap. 14,14-20 wird auf die Engelschlacht, in welcher der Antichrist mit seinen Führern besiegt wird, gedeutet. Von Einzelheiten[1] erwähne ich, daß sich in Apk 11,1 ein sehr interessantes Symbolum (des Victorin) findet. Eine Spur der bis jetzt verschollenen und neuerdings erst wieder entdeckten chiliastischen Deutungsweise zeigt sich in der Auslegung zu Apk 1,15: adoramus, ubi steterunt pedes eius, quoniam (l. statt dominum) primum ubi illi steterunt et ecclesiam confirmaverunt i. e. in Judaea, ibi (st. ubi) omnes sancti conventuri sunt et dominum suum adoraturi.

Der Kommentar des Victorin ist ein sehr interessantes Dokument in der Geschichte der Auslegung der Apk. Er zeigt noch reichliche Spuren einer alten Tradition und eines richtigen Verständnisses der Apk. Der die Apk beherrschenden Stimmung ist Victorin der Märtyrer noch kongenial, er lebte selbst noch in der Erwartung des ganz nahen Endes. Mit seiner Rekapitulationstheorie beherrscht er die Zukunft und macht auf ein in der Komposition der Apk vorliegendes Problem aufmerksam.

Lactanz’ eschatologisches Gemälde in den Instit. div. VII 14ff. ist kaum eine Auslegung der Apk. zu nennen, sondern eher eine aus allen möglichen Quellen zusammengewürfelte neue Apk[2]. Auch Lactanz ist Chiliast, er meint, daß die Welt 6000 Jahre bestehen werde und dann der Sabbath des tausendjährigen Reiches komme. Nach seiner Berechnung (VII 25) werden


  1. Haußleiter teilt mir mit, daß im echten Victorin-Kommentar sich die Berechnung der Zahl 666 überhaupt noch nicht findet. Die ältere Rezension, in der Victorins Werk vorliegt, bringt die Namen Αντεμος und Γενσηρικος (!), die jüngere daneben das Irenäische Τείταν und die Lösung mit lateinischen Ziffern Diclux. Das in den Text des Apringius (s. u.) aufgenommene Stück bringt nur Teitan und Diclux. Hiernach läßt sich auch die Zeit der Bearbeitungen festlegen.
  2. L. benutzt die Sibyllinen, die Weissagungen des Hystaspes, den λόγος ἀληθτής des Hermes, vor allem eine sibyllenartige Apokalypse vom Antichrist, welche sich vielfach mit der in Commodians carmen apologeticum benutzten Quelle berührt.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S055.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)