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verstehen können, wie aus dem Kreise unsres Presbyters dann auch die größeren Schriften, Evangelium und I Brief, stammen könnten. II und III Joh bilden die Brücke von der Apk zum Evangelium und zum ersten Brief.

Wir versuchen endlich, die Beziehungen des vierten Evangeliums zu der bereits besprochenen johanneischen Literatur und zu dem kleinasiatischen Johannes festzulegen. Und da scheint es sicher zu sein, daß auch diese Schrift in den besprochenen Schriftenkreis hineingehört. Sie ist als ein Evangelium κατὰ Ἰωάννην überliefert, und die Überlieferung sowohl, wie deutliche Spuren innerhalb des Evangeliums, vor allem die hervorragende Rolle die Philippus und Andreas in ihm spielen, weisen darauf hin, daß die Heimat desselben Kleinasien ist, Johannes also der kleinasiatische Johannes sein soll[1]; das letzte Kapitel bringt die Schrift deutlich zu diesem langlebigen kleinasiatischen Johannes in Beziehung. Endlich läßt sich nirgends nachweisen, daß nach der Auffassung des vierten Evangelisten der „Zeuge“ der Zebedaide Johannes sein soll[2]. — Auf der andern Seite ist aber auch das klar, daß die enge Beziehung des kleinasiatischen Johannes, die wir zur Apk (und zu II III Joh) festzulegen suchten, sich nicht halten lassen wird, wenn es nicht gelingt, das Evangelium um ein beträchtliches Stück von seiner Person abzurücken. Denn aus einer Quelle können eben so verschiedene Geisteserzeugnisse wie Apk und Evangelium nicht stammen. Das Evangelium weist uns aber hier mit seinen Andeutungen über sich selbst auf den rechten Weg. Denn es ist deutlich, daß es gar nicht von dem in ihm verherrlichten ungenannten Jünger selbst stammen will. Die ganze Art, wie dieser Jünger ungenannt und doch bekannt überall eingeführt und geflissentlich in den Vordergrund geschoben wird, wäre eben einfach geschmacklos, wenn hier der Zeuge des vierten Evangeliums selbst redete, wird aber sofort verständlich, falls hier ein getreuer Jünger seinen Meister verherrlichen wollte. Überdies gehören die Stellen, in denen der uns bekannte Jünger eingeführt wird, zu den Stücken des Evangeliums, bei denen die Übermalung des zugrunde liegenden synoptischen Berichtes am deutlichsten hervortritt[3]. Eine Stelle wie die vielerörterte Joh 19,35 gibt dann die authentische Bestätigung jenes allgemeinen Eindrucks. Das vierte Evangelium stammt also aus dem Schüler- und Anhängerkreis des ungenannten Jüngers (Johannes) und wird erst geraume Zeit nach seinem Tode entstanden sein. Gegen die Identifikation des Zeugen des vierten Evangeliums mit dem kleinasiatischen Johannes, dem Presbyter des Papias,


  1. Vgl. meine Ausführungen Theol. Rundschau VIII 286f.
  2. In dem vierten Evangelium wird ein ziemlich deutlicher Unterschied zwischen den δώδεκα und den μαθηταὶ τοῦ κυρίου gemacht. Die ersteren werden nur ganz nebenbei gelegentlich des galiläischen Aufenthalts erwähnt 6,67. 70. 71, und sofort wird hier hervorgehoben, daß einer von den Zwölf den Herrn verriet. Es wird betont, daß der ungläubige Thomas εἷς ἐκ τῶν δώδεκα war 20,24, während vorher 20,19 von den μαθηταί die Rede ist. Sonst werden die δώδεκα nicht erwähnt. Seine eigentlichen Jünger hat Jesus in Jerusalem 7,2. Der Zeuge des vierten Evangeliums steht als μαθητής außerhalb des Kreises der δώδεκα, und wo er auftritt in einem deutlichen Verhältnis der Rivalität. 1,41, wo man einen bestimmten Beweis dafür hat finden wollen, daß der ungenannte Jünger der Zebedaide sei, ist zu lesen: εὑρίσκει οὗτος πρῶτον (nicht πρῶτος).
  3. Theol. Rundschau VIII 289,1.
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Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 044. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S044.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)