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keine Nummer und keine Seitenzahl gab und sie so als Anhang darstellte, eine Anordnung, die sich bis ins siebzehnte Jahrhundert erhalten hat, und die so sehr jetzt aus dem Gedächtnis geschwunden zu sein scheint, daß es wahrlich gut täte, eine alte Lutherbibel einmal wieder im Druck herzustellen[1]. Die Stellung, die Luther diesen Schriften anwies, ist ja bekanntlich bis auf den heutigen Tag geblieben.

Luthers Kritik war eine wesentlich innerlich und religiös begründete, dadurch gerade von hervorragender Bedeutung, aber allerdings auch nicht ohne Gefahr zu starker Subjektivität. Die Folgezeit ist deshalb der, äußerlich angesehen, begründeteren und an die Kritik der alten Kirche sich anlehnenden Beurteilungsweise des Erasmus und Carlstadt gefolgt, und lange Zeit hat sich in der lutherischen Kirche die (Eusebianische) Annahme von den sieben Antilegomenen im neuen Testament gehalten. Zu diesen gehörte auch die Apk, aber es ist bemerkenswert, daß sich dabei durchgehend, wohl entsprechend dem späteren Wandel in der Auffassung Luthers, eine verhältnismäßig günstige Beurteilung der Apk zeigt.

Zu nennen sind hier aus dem XVI. Jahrhundert Veit Dieterich im „Summarium über die ganze Bibel“ (Oeder s. u. 313; bereits mit günstigem Urteil über die Apk), und Chemnitz im examen concilii Tridentini 1565-73 p. 49 sqq. und im Enchiridion 1600. Namentlich bei Chemnitz findet sich die Theorie über die sieben Antilegomenen deutlich entwickelt und zwar in Anlehnung an Hieronymus (Rufin) unter Herübernahme seines terminus technicus (libri ecclesiastici)[2]. Brenz in der confessio Wurtembergica (1551) nahm sogar Luthers scharfes Urteil wieder auf; die Centuriatoren halten an den 7 Antilegomenen fest.

Bis ins siebzehnte Jahrhundert hielt sich der Widerspruch: vgl. Aegidius Hunnius. disput. theol. de sacra scriptura cap. I thes. 11. 117. 119. 120ff. (1601); Hutterus, loci communes theologici 1609 p. 18; compendium 1619, quaestio 2 und 5. Besonders bemerkenswert sind noch Dietrichs Institut. catecheticae p. 19ff. In der offiziellen (von Balduin verfaßten) Wittenberger Widerlegung des Rakauer Katechismus (1619) ist von alt- und neutestamentlichen Apokryphen die Rede. Zu letzteren gehören die sieben Antilegomenen, und ein Unterschied wird noch kaum gemacht. Balduin schrieb selbst die idea dispositionum bibliarum (68f.). Die Liste der Apokryphen beginnt hier mit IV Esr und endet mit der Apk, 164 findet sich ein Abschnitt de tractatione apoc., in der das Buch günstiger behandelt wird. Eine für die Apk günstigere Wendung liegt bei Kromayer vor: ecclesiae Romanae apostasia in mysterio (1662) Diss III. Hier findet sich hinter der Liste der kanonischen Schriften die Bemerkung: quibus tamen a nonnullis adduntur ep. ad Hebraeos, apoc. Johannis.

Erst mit der die alte Sachlage geschickt vertuschenden Unterscheidung Johann Gerhards (Loc. theol. loc. cap. 9. § 241) zwischen kanonischen Schriften und libri canonici NT (später „deutero-kanonisch“) und der dort vorgetragenen Konstatierung eines Unterschiedes, der doch kein eigentlicher Unterschied ist, hörte auf einige Zeit alle Kritik in der lutherischen Kirche auf, und man erinnert sich in „lutherischen“ Kreisen bis zum heutigen Tage der freieren Stellung der Alten nur


  1. Die letzte Ausgabe, die diese Eigentümlichkeit zeigt, ist die von 1689 (Holtzmann 180); in den plattdeutschen Bibeln, Hamburg 1596, Wittenberg 1599, und noch in der schwedischen, Stockholm 1673, werden die Bücher gar als Apokryphen eingeführt. Bleek, Einl. i. d. Br. an die Hebräer, 463, A. 569.
  2. vgl. Bleek a. a. O. 451. s. dort auch die übrigen Stellen aus dem examen Conc. Trid.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen: , 1906, Seite 032. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S032.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)