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Hure Babylon (17,1) und dem neuen Jerusalem (21,9) durch einen der Schalenengel gezeigt[1]. Dieser ist auch vielleicht 19,9 mit dem Engel gemeint, vor dem der Seher niederfällt. D. h. die Vorstellung vom Engel herrscht in den Stücken, die wir am sichersten als in das Ganze der Apokalypse aufgenommene Quellenstücke nachweisen können[2]. Am Schluß scheint dann der Apokalyptiker selbst die Vorstellung vom Offenbarungsengel aufgenommen zu haben 22,6ff. und ebenso in der nachträglich hinzugefügten Überschrift. 1,1ff. (s. d. Erkl.). — Sichtlich aber hat in der Gesamtanschauung des Apokalyptikers die Person Jesu und die Vorstellung vom Geist[3] als dem Träger ekstatischer Erfahrungen den Offenbarungsengel verdrängt. An beiden Punkten zeigt sich der Einschlag spezifisch christlicher Vorstellungen.

Ein weiteres Charakteristikum erhält die apokalyptische Literatur durch die farbenprächtige Schilderung des als Offenbarungsmittlers erscheinenden Engels (resp. des selbst erscheinenden Gottes). Ez 8 ist auch hier vorbildlich geworden, vgl. Dan 10; II Hen 1. Solche Schilderung übernimmt auch die Apokalypse an zwei Stellen 1,12ff.; 10,1ff., an deren erster aber bereits Christus an Stelle des Offenbarungsengels (resp. Gottes) getreten ist[4].

Wir richten, nachdem wir die mannigfachen Formen, in denen sich die Apokalyptik die Offenbarungsvermittelung denkt, kennen gelernt haben, auf die apokalyptischen Visionen und Bilder selbst unsere Aufmerksamkeit. Sie zerfallen zunächst in zwei große Hauptgruppen. Auf der einen Seite haben wir Bilder, mit denen der apokalyptische Seher die Zukunft weissagend enthüllt, auf der andern Seite solche, in denen einfach geschildert wird, was er als gegenwärtig in seiner Ekstase sieht. Die letzten Bilder gehören ursprünglich eigentlich nur zum Beiwerk der apokalyptischen Weissagung, drängen sich aber im Verlauf der Entwickelung mehr und mehr in den Vordergrund. Auch hier ist wieder Ezechiel mit der breiten Schilderung des göttlichen Thronwagens vorbildlich geworden. Es mußte die Phantasie reizen, den jeweiligen Offenbarungshergang, welchen der Seher erlebt, mit breiteren Pinselstrichen zu zeichnen. Namentlich da, wo die Form der Entrückungsvision ausgebildet erscheint, überwuchern dann die Schilderungen der gegenwärtigen irdischen und himmlischen Geheimnisse die eigentliche apokalyptische Weissagung. Die Henochliteratur gibt das beste Beispiel hierfür, und wiederum ist innerhalb der Henochliteratur das slavische Henochbuch am weitesten fortgeschritten; hier hat die darstellende Vision die weissagende fast ganz verdrängt. Auch in der Apokalypse haben wir eine Reihe von


  1. Übrigens liegt hier 17,3; 21,10 eine Kombination der Vorstellungen von der Offenbarungsvermittelung durch den Engel und derjenigen durch den Geist vor.
  2. Die Kombination, daß der Engel einer der sieben Schalenengel gewesen sei, wird freilich vom Apok. letzter Hand stammen.
  3. Über Spuren dieser Anschauung vom Geist im Judentum s. Rel. d. Judentums 374f.
  4. Man beachte, wie hier und da geschildert wird, wie zunächst dem Seher eine einfache menschliche Gestalt erscheint und wie diese sich dann vor den Augen des Sehers in eine himmlische Erscheinung verwandelt. Vgl. die vierte Vision des IV Esra und die Einleitung zum Hirten des Hermas 1. — Dazu vgl. auch R. Reitzenstein Poimandres 11ff.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Bousset: Die Offenbarung Johannis. Göttingen 1906, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bousset-S007.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)