Seite:Bohemiae Moraviae et Silesiae (Merian) 233.jpg

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Schlesischen Chronik hälts für deß Ptolemaei Lugidunum, und vermeynt / daß auß den alten zerfallenen Gebäuen / und Gemäuer der Stadt Lugidun / die Stadt Glogau auffs neu erbauet worden seye / und daß / seines Erachtens / der Nam Lugidun / von den Lygiis, oder Luiis, wie solche Völcker vom Strabone, und Ptolemaeo, genennet werden / herkomme / und daß der alte Nam / sonder Zweiffel / in Teutscher Sprach Luenau gewesen seye / darauß die außländischen Völcker / damit es linder lautete / Luiunum, und Lugidunum, gemacht haben. Im Duglosso, dem Polnischen Scribenten / wird der Stadt Glogau erst ums Jahr Christi 1104. gedacht; wiewol er sagt / als Keyser Henricus der Fünffte / sie Anno 1109. belägert / sie zwar volckreich / aber die Stadt-Mauren / alters halber zerfallen gewest seyen. Der jetzige Nam ist Wendisch / und bedeutet so viel / als einen Dornbusch / oder Dornstrauch: Und ist an demselben Ufer noch heut ein solcher Dornbusch / und Strötticht. Nicht weit von dannen ist ein Dorff / das gehöret der Stadt zu / das nennet man Hökrich; und dieser Nam ist eigentlich das Slavische Wörtlein Glogau. Es ist diese Stadt anfänglich jenseit der Oder / nach Nord / und nicht hierüber nach Sud / oder Mittag / wie jetzt / gelegen gewesen / so Hertzog Boleslaus Crispus an diesen Ort gesetzt. Man schreibet / daß der Thum gestifftet worden im Jahr 1120. Es war aber solche Thumkirch zuvor an dem Ort / da hernach das Closter deß Ordens S. Dominici, erbauet worden; und hat / ums Jahr 1260. Hertzog Conradus zu Glogau / diesen Ort zu einer rechten Stadt gemacht / Teutsche darein beruffen / und der Stadt das Teutsche Recht geben / das Schloß allhie erbauet / auch besagten Thum auß der Stadt / durch eine Abwechselung / auff das Werder an der Oder / da er in der Vorstadt jetzt stehet / versetzt. Und ist nichts lustigers allda / als dieser Thum: daselbsten auch / vor dem jetzigen Krieg / lustige und fruchtbare Gärten gewesen seyn. Und ist das Ufer an der Oder nach Mittag nicht so nidrig / und schlecht / wie das zu Breßlau. Ihr der Stadt Diameter, oder die stracke Länge / hindurch / soll 4. Stadia, oder Feldwegs / und der Umbkreiß fast 12. Stadia, halten. Sie ligt an einem solchen bequemen Ort / daß / außer Breßlau / in gantz Schlesien kein gelegener zu finden. Und ist Glogau ein allgemeine Scheuer / und Getreid-Marckt vieler Völcker. Dann herum ein sehr gut Land / fruchtbare und traghaffte Aecker / und befleißt man sich da sehr der Viehzucht. Die Oder gibt viel Fisch / und seynd viel Teich umher. Nach Mittag ist sie mit etlichen Bergen (darunter der Schwalnberg) und Höhen / umgeben. Ligt in Gestalt eines Eys / und erhebt sich nach Mittag-werts in die Höhe. Die Lufft ist ziemlich gesund / und bequemer als zu Breßlau. Das Bier ist gutes Saffts / und gibt viel Nahrung / aber es ist trüb / scharff / und grob dünstig / sonderlich wann man ihm viel Hopffen gibt / welcher von Natur ins Haupt steiget. Und wegen Ubergriffs im Tranck / und Gelegenheit der Winde / ist die Gicht / und das Reissen in den Gliedern / diß Orts gemeiner / als in andern Städten. So seyn die Leiber gern mit dem Nierenwehe / und Lendenstein / behafft / weilen man da viel vom Schweinen- und Rindfleisch / Käß / Saurkraut / und dergleichen / isset. Es seyn da fünff Thor / und 2. Pförtlein / und darunter das Brustisch / das Polnisch / und das Spital-Thor; und ist die Stadt mit einer doppelten Mauer und Graben / vordiesem schier gar umgeben gewesen: bey dem jetzigen Teutschen Krieg aber noch mehrers bevestiget werden. Es seyn allhie vornehmlich zu sehen / 1. der obgedachte Thum / ausser der Stadt / dem Wasser zu / in einem lustigen Werder der Oder erbauet. 2. Die Pfarrkirch in der Stadt / ein sehr altes Gebäu / auff einem Hügel nach Mittag gelegen / daran ein hoher und sehr dicker Thurn / dergleichen in Schlesien sonst nicht gesehen werden solle. Wie alt er sey / und wann er die Spitze verlohren / kan man nicht wissen. 3. Die drey Clöster in der Stadt / nemlich ein Jungfrauen-Closter / hart an der Oder; gegen Nord der Brüder S. Francisci, darein sich nachmals die Bernhardiner begeben / die sich Observantes nennen; und dann der Dominicaner gegen Abend gelegen / da vorzeiten der Thum gestanden / mit einer sehr weiten / geraumen und zierlichen Kirche / die von vieler gottseliger Bürger Allmosen und Darlage erbauet

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Matthäus Merian: Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1650, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bohemiae_Moraviae_et_Silesiae_(Merian)_233.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)