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Bismarck den großen Kanzler genannt und dem Kaiser den Beinamen verweigert, weil sie den höheren des Gerechten und Getreuen für ihn hatten.

 Auf welche Proben ward durch Bismarcks gewaltig vorwärts drängende Politik, die mit dem Uberalteten und Morschen brach und Tradition nicht nur als Größe, die man achten, sondern als Gefahr, die man fürchten müsse, bewertete, die gelassene, vorsichtige Art des Königs gestellt! Schaffot und Tod, Schmach und Untergang sah, von fremden und undeutschen oder frauenhaften Einreden beirrt, der König. Aber der Diener sah nur die Pflicht des preußischen Offiziers, der für Land und Volk kämpfend fällt oder siegt. Und der König fühlte sich an seiner Soldatenehre gefaßt und war immer tatenfreudiger, dem Konflikt entgegen, an dem er hatte vorbeikommen wollen. Durch die Feldzüge hat der Staatsmann den Kriegsmann geleitet und aus dem letzten hat er die Kaiserkrone herausgerettet, die kein würdigeres Haupt zierte seit Karl und Otto dem Großen.

 Aber nicht beherrscht wollte König Wilhelm sein, auch Bismarck mußte und sollte den königlichen Willen spüren. Zweimal, am Ausgange des Krieges mit Österreich und am Ende des Kampfes gegen Frankreich hat der König die Treue des Dieners auf harte Proben gestellt. Einmal wollte er, was Bismarck ihm verweigerte, Fortschritt der Armee ins Herz der österreichischen Monarchie, größeren Landzuwachs und von Bayern den „Streifen Hof bis Crailsheim“ als Weg zu den Stammlanden und der Burg der Ahnen und wiederum wollte er nicht, was der Kanzler ihm bot, die Würde des deutschen Kaisers, die er fast spöttisch als die des „Charaktermajors“ zurückwies, annehmen, wie sie König Ludwig II., Bismarcks bewundernder Gönner angeboten hatte. Der Kronprinz hat das erste –, das andere Mal der Großherzog von Baden, Sohn und Schwiegersohn Wilhelms vermittelt, beide Gegner

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Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_19.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)