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zärtlichen Vater gemacht. Seine Kinder sollten es besser haben, als er’s hatte. Sie haben ihre Hauslehrer, ihre sorgenlose und sonnige Kindheit in der wohligen Nähe der Elternliebe; sie genießen vom Vater fast noch zärtlichere Fürsorge als von der Mutter. Den ihm innerlich am meisten gleichenden Sohn Herbert, bei dessen Vermählung in Wien (mit Gräfin Hoyos) der Fürst durch den „Uriasbrief“ seines Nachfolgers die schwerste Kränkung erlitten hatte, schätzte er wegen seiner Pünktlichkeit und Arbeitsamkeit besonders hoch und fragte wohl scherzend, was aus ihm geworden wäre, wenn er solchen Fleiß gezeigt hätte! Daß sein Schwiegersohn Rantzau die aussichtsreiche Laufbahn verließ, um mit den Seinen dem alternden Großvater nahe zu sein, rechnete er ihm hoch an.

 Wie die Seinen ihn liebend umgaben, damit das Haus ersetze, was Amt und Staat vorenthielten, hat der Fürst seinen „Gedanken und Erinnerungen“ anvertraut, deren Entstehung die Welt der Treuesten einem, Lothar Bucher († 12. Oktober 1892 bei Montreux) verdankt.

 Am 27. April 1849 von seinem großen Freunde zum erstenmale angeredet – es war nach der Kammerauflösung wegen Aufhebung des Belagerungszustandes – erklärte Bucher, daß er (wie der bedeutendere Karl Schurz) „über das Wasser den Verfolgungen entgehen wolle.“ 1864 kehrte er ins alte Vaterland zurück und ward Bismarcks rechte Hand, der nicht nur für ihn, sondern auch mit ihm arbeitete, im Gegensatz zu der „politischen Häckselmaschine Abecken“, der redigierte und feilte, was ihm gegeben ward. Die Beziehungen Bismarcks und Buchers wurden, sagt Heinrich von Poschinger, immer mehr gemütlicher und freundschaftlicher Natur. Und als der Größere in die Verbannung ging, folgte ihm der Mann, in dem der Fürst seinen „selbstlosesten Freund“, dimidium suae vitae, die Hälfte des Lebens verloren zu haben beklagt. Schweigsam, geduldig, aufopfernd, dem Manne, der Geschichte gemacht

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Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_13.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)