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 Wenn die Universitätsjahre, die den jungen Stürmer und Dränger durch frohe Lust und ernste Besinnlichkeit führten, weniger in die Ordnungen und Gesetze des akademischen Lebens und Lernens, als in die große Schule, da man Menschen sucht und an ihnen sich erzieht, wiesen und die nächsten Jahre sich anließen, als wollten sie die gärende, brausende Kraft – wie oft denkt man an Carlyles Wort über den alten Dessauer, eine „wahre Windsbraut von einem Menschen“ –, die überschäumende Gabe des Willens, dem der seiner würdige Gegenstand der Betätigung gebricht, in enge Grenzen dämmen und versickern und verinnen lassen, was stromgleich segnend und befruchtend, umschaffend und erneuernd wirken wollte und sollte, so hat die am 12. Januar 1847 erfolgte Vermählung mit Johanna von Puttkamer die Wendung im Leben des Mannes heraufgeführt, die sein Gott für ihn brauchte. Die „getraute Treue“, welche unser Volk als die beste rühmt, da des Mannes Herz sich auf das Weib verlassen kann, das gibt, indem es leidet und nie leidet, wenn es gibt, hat Bismarck vor der selbstverzehrenden, unnützen Überhast gerettet, die einen Mirabeau früh verbrauchte und vor der öden Alltäglichkeit bewahrt, in die das Landleben ihn vielleicht geführt hätte, wo die edelste Kraft an die kleinlichen Sorgen als Tat und an die großen Fragen nur als Kritik sich hätte geben müssen. An Heinrich Sybel, dem Geschichtsschreiber des neuen deutschen Kaisertums wird gerügt, er habe „aus dem edlen Königstiger eine zahme Hauskatze“ gemacht, weil er aus Bismarcks Lebensbild das Übermäßige, das Titanenhafte austilgte. Die Gemahlin Bismarcks hat das Naturell ihres großen Gatten wirken und walten lassen und eben weiter nichts anderes sein wollen, als die Gehilfin um ihn, die Sorgen- und Zornesfalten glättet und wie ein linder Gotteshauch den

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Hermann von Bezzel: Bismarck und das deutsche Gemüt. Paul Müller, München ca. 1916, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bismarck_und_das_deutsche_Gem%C3%BCt_10.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)