Seite:Biographisches Jahrbuch für Altertumskunde 18 171.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Straßenecke war oder ein einsamer Baumgang des damals noch nicht so belebten Tiergartens oder eines der Nordseebäder, in das ich im Sommer zu gehen pflegte. Denn überall hin folgen uns ja in den glücklichen Jahren unserer wissenschaftlichen Lehrzeit die Lieblinge unserer Gedanken. Nach einer kleinen Vorarbeit[1] gab ich Frühling 1870 meine „Beiträge zu einer Geschichte des attischen Bürgerrechts“ zum Druck. Das Buch hat die von Anfängern gern gewählte Form einer langsam fortschreitenden Untersuchung und fordert darum von dem Leser ein Maß von Geduld und Aufmerksamkeit, das er nur selten für die Arbeiten anderer haben wird. Das Hauptergebnis, daß die Grundlagen des athenischen Staates gentilizisch sind, hat sich bewährt. Im einzelnen ist manches, zum Teil unter diesen Anregungen selbst, anders gestaltet worden. Im ganzen darf ich wohl jetzt nach fast 25 Jahren noch sagen, daß der Fleiß jener Jahre nicht vergeblich gewesen ist.

Als der französische Krieg ausbrach, war ich 27 Jahre alt, und die Frage nach einer definitiven Gestaltung meines äußeren Lebensganges trat, zumal nach dem Tode meines Vaters, dringender an mich heran. Meine Gymnasialthätigkeit hatte ich nur als Vorbereitungsstadium angesehen. Die Entscheidung war mir nicht leicht. Meine alte Neigung, die Beschäftigung mit der Kunst, zog mich nach einer anderen Richtung, als die war, welche einen vorläufigen Abschluß in dem Buche über das Bürgerrecht gefunden hatte. Schon länger war ich dem Galeriedirektor Waagen näher getreten und hatte mehre Jahre hindurch in meinen Freistunden in den Kupferstichkabinetten in Berlin und Dresden gearbeitet. Ein freundlicher alter Herr von feinem Kunstsinn und Besitzer einer erlesenen kleinen Gemäldesammlung, Geheimrat Bartels, führte mich Sonntagmorgens in die Einzelheiten der Bilderkenntnis ein, und eine Anzahl jüngerer mit Kunstwissenschaft beschäftigter Männer, deren Führer Alfred Woltmann war, zog mich zur Teilnahme an allerlei Äußerungen dieses Interessenkreises heran. Damals entwickelte sich nach den Anregungen der großen Pariser Ausstellung aus bescheidenen Anfängen das nachmalige Kunstgewerbemuseum. An diesen Bestrebungen nahm ich lebhaften Anteil, mit Karl Grunow, dem späteren Direktor, verband mich bis an seinen Tod enge Freundschaft. Mancherlei leichte Schriftstellerei nahm von da ihren Ausgang, Artikel für Zeitungen und Kunstjournale; während eines Sommers besorgte ich das Kunstfeuilleton der „Nationalzeitung“. Zu eindringenden Spezialarbeiten auf einem dieser Gebiete kam es nicht und sollte es auch nicht kommen. Eine Untersuchung über schleswig-holsteinsche Holzskulptur und ihren Zusammenhang mit den graphischen Künsten,


  1. Göttinger Gel. Anz. 1866, 769 (van den Es, de iure familiarum). – Nachträge zum Bürgerrecht: Über einige Reden des Isäos und Demosthenes Neue Jahrbb. 1879, 413 (Orgeonen).
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_171.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)