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meinen Weg. Ich hörte einige Vorlesungen, arbeitete im Museum und auf der Bibliothek und begann für verschiedene in Umrissen entworfene Aufgaben die griechische Litteratur nach einem bestimmten Plane durchzuarbeiten. Daneben nahm ich an Anregungen hin, was die damals noch nicht so unbequem große Stadt mir bot. Ich hatte Zutritt gefunden in den Häusern hochgebildeter Männer. Dankbar gedenke ich vor allem des ehrwürdigen Eduard Gerhard. Was er mir gewesen ist, war nach seinem für mich zu früh erfolgten Tode mir Bedürfnis, in einigen Worten der Erinnerung auszusprechen.[1] Seine edle Gattin blieb mir bis an ihren Tod 25 Jahre lang eine nahestehende Beraterin. Auch sonst mancherwärts, wie z. B. bei Lepsius und Pertz, durfte ich eine Zeit lang an feiner, anregender Geselligkeit teilnehmen. Mit dem frühverstorbenen, feinsinnigen Friederichs verband mich bald nahe Freundschaft. So wurde mir klar, daß ich Berlin fürs erste nicht verlassen durfte. Um meinem Leben äußere Regel, die Fessel bestimmter Arbeit und eine vorläufige materielle Grundlage zu geben, suchte ich Beschäftigung im Berliner Schuldienst und erlangte 1867 eine Stelle an dem damals unter Th. Kocks Leitung neu errichteten Louisenstädtischen Gymnasium. Obwohl ich dem verehrten Manne persönlich nie näher getreten bin, hatte ich doch hinreichend Gelegenheit, seine völlig einzige Kenntnis des Griechischen zu bewundern, und konnte unter seiner humanen, jeder berechtigten Freiheit günstigen Leitung mich in den Schuldienst einarbeiten. Nach der langen Zeit ausschließlich rezeptiver Arbeit that mir die Praxis und die Nötigung zu klarer Gedankenmitteilung wohl. Äußerlich änderte sich mein Leben wenig. Ich behielt nicht nur genug Zeit zu eigenen Arbeiten, sondern es kam mir – bei einer mir heute nicht mehr begreiflichen Ökonomie – vor, als hätte ich noch mehr Zeit. So sehr war durch das Gegengewicht praktischer Pflichtübung die Lust gewachsen.

Einer Anregung Sauppes folgend, hatte ich unter dem Gesichtspunkte eines ius Atticum die griechischen Redner durchgearbeitet und veröffentlichte einige Demosthenica.[2] Dann führte mich die mir unverständliche Überlieferung über die antiken Geschlechtsabteilungen an das Problem ihrer Bedeutung für den griechischen Staat. Während eines äußerlich recht bewegten Lebensabschnittes versenkte ich mich in diese mir immer lieber werdende Arbeit, und manche kleine Lösung oder was ich dafür hielt, blieb noch lange in meiner Erinnerung verbunden mit der zufälligen Stätte ihrer Entstehung, ob es nun eine Berliner


  1. Neue Jahrbb. 1867, 475 und Lützows Kunstchronik 1867, 120.
  2. Über die Demosth. Rede gegen Timotheos Neue Jahrbb. 1866, 611. Zu C. Inscr. Graec. No. 1756 (Sklavenverkauf) a. O. 749. Gegen Zenothemis (keine Sophistenarbeit, sondern wirkliche Rede) a. O. 1867, 577. Zu Dem. gegen Apaturios § 10 : 825.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_170.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)