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ich dem alten Leutsch, der also für mich kein bloß lächerlicher Mann war, sondern nur ein anderer als die meisten Menschen. –

Noch vor meinem Examen hatte Sauppe die Güte, mir eine Lehrstelle in Preußen anzubieten. Ich nahm das als freundliches Vorurteil für den Ausfall des bevorstehenden Examens dankbar hin, hatte aber von meinem Vater das Versprechen, wenn ich das Examen gemacht hätte, nach Berlin gehen zu dürfen, und dahin machte ich mich im Herbst 1864 auf. Etwas verschiedenartigeres als mein Leben in meiner bisherigen Umgebung und die Welt, in die ich nun eintreten sollte, läßt sich kaum denken. Die Verpflanzung auf den neuen Boden forderte vor allem die innere Verarbeitung dieses Gegensatzes, und darin lag der Wert für meine Entwicklung in den nun folgenden Jahren. Wenige Tage nach meiner Ankunft sah ich auf dem Königsplatze die Parade der aus dem schleswig-holsteinischen Kriege zurückgekehrten Truppen, Bismarck in weißer Majorsuniform, das Berliner Publikum an diesen nun immer sich wiederholenden Feierlichkeiten bei dem Einzuge neuer Abteilungen in seiner lebhaften Art Anteil nehmend. Und so brachte jeder Tag neue Eindrücke dieses preußischen Wesens, an dem Deutschland noch einmal genesen sollte. Damals war das alles noch fremdartig. Ja, mir selbst begann es erst im Frühling 1866 zu dämmern, daß um eines großen Staates willen der Mensch doch wohl thue, viele kleine Vorteile aufzugeben, deren wir Hannoveraner uns nur zu sehr bewußt waren. Daß ich die ganze große Bewegung bis zum Kriege der siebziger Jahre in Berlin selbst mit erlebt habe, war ein bedeutender Gewinn dieser Zeit für mich. Und es entsprach ja der Erfolg insofern meinen Erwartungen, als ich von Berlin zunächst mehr eine Förderung meines ganzen Menschen hoffte als die Zurichtung für einen bestimmten Beruf, über dessen Wahl ich nichts weniger als einig mit mir war. Nun mußte aber doch auch hiermit angefangen werden. Früher war mein Gedanke gewesen, nach bestandenem Staatsexamen mich ganz der Geschichte zuzuwenden. Aber ich hatte in Göttingen die Philologie so lieb gewonnen, daß ich das Altertum nicht aufgeben mochte. Immerhin nahm ich meinen Kurs auf die alte Geschichte und alles, was damit zusammenhing. Daneben folgte ich meiner Neigung zur Beschäftigung mit der Kunst, in welcher Form sie sich mir bot. Sie hat mich auf meinem Lebenswege mehr gestört, als sie mir nützte, war mir aber, wenn ich mich prüfte, wohl das Liebste von allem. Sie ganz abzuwerfen, war mir unmöglich. Sie ganz zu wählen, in Form der Archäologie, die damals als Laufbahn die einzig mögliche gewesen wäre, hinderte mich verschiedenes, vor allem ein gewisser Kleinkram, der den wissenschaftlichen Betrieb mir zu beherrschen schien, ohne daß ich heute behaupten will, daß dieser Eindruck richtig war und mein Urteil gerecht. So ging ich, wissenschaftlich arbeitend, einigermaßen zwiespältig

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Verschiedene: Biographisches Jahrbuch für Alterthumskunde, 18. Jahrgang (1895). S. Calvary & Co., Berlin 1896, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Biographisches_Jahrbuch_f%C3%BCr_Altertumskunde_18_169.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)