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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

wo das Täfelchen aus rothem Marmor eingesetzt ist[1], sowie eine Anzahl römischer Büsten des hiesigen Museums, an denen das Täfelchen unter der Brust meist ohne Schrift[2], einmal auch mit einer Grabschrift[3], erhalten ist.

Das zweite Mittel jene Verbindung herzustellen bildete eben der Akanthoskelch, wie wir ihn in den oben aufgezählten kleinen Werken von Erz und Thon fanden. Das älteste Beispiel eines größeren Werkes, das ich anführen kann, gehört, wie ich glaube, in die Zeit der Ptolemäer; es ist der schon erwähnte Madrider Jünglingskopf, an welchem sich eben jener Blätterkelch findet[4]. Die folgenden sind weit jünger, nämlich eine vaticanische Büste des Antinous[5]; ferner eine Büste des Marc Aurel, die durch Smith und Porcher in’s brittische Museum gelangt ist[6]; die in der Anmerkung erwähnte vaticanische Büste der Salonina; endlich zwei in Relief dargestellte römische Porträtbüsten im Louvre[7]. Es kommt hierbei wenig darauf an, wie groß oder klein das Blattornament am Büstenfuß ist; sein mehrfaches Vorhandensein überhaupt, im Zusammenhang mit der vorher erörterten Entwickelung, beweist, dass es nicht auf einen bloßen Einfall einzelner Künstler oder Handwerker zurückzuführen ist. Auch diese jetzt noch geringe Zahl der Beispiele wird ein rascher Gang durch die römischen Sammlungen zu vermehren im Stande sein. Allein sie genügen, um zu zeigen, dass noch in später Zeit wenigstens ein Rudiment des Blätterkelchs in handwerksmäßiger Anwendung war, welche mit Sicherheit auf alte Tradition zurückweist.

Die Clytiabüste aber zeigt, und zwar sie bis jetzt allein, nicht das Rudiment, sondern den voll entwickelten Blätterkelch. So sicher wir im Stande waren, sein Vorhandensein in Verbindung mit der Büste überhaupt aus der organischen Entwickelung zu erklären und so wenig er mithin eine Instanz abgiebt gegen den


  1. Meine antiken Bildwerke in Madrid S. 137 Nr. 267.
  2. So an den Büsten des Antoninus Pius Nr. 338 (neuerer Zählung), M. Aurel Nr. 348, des sogenannten Elagabal Nr. 370 und der sogenannten Plautilla Nr. 368.
  3. An der Büste der Aurelia Monnina Nr. 415.
  4. Meine antiken Bildwerke in Madrid S. 114 Nr. 189.
  5. Im Catalog Nr. 1259, abgebildet im Museo Pio-Clem. Bd. 6 Taf. 47. Visconti (6 S. 214 der Mailänder Ausgabe) vergleicht mit den feuilles sculptèes au-dessous de la poitrine, où le buste doit poser sur le piédonche, ornement peu en usage dans les monuments de cette espèce, dasselbe Ornament an einer Büste der Salonina in derselben Sammlung, abgebildet Bd. 2 Taf. 80, und meint dieser Blätterschmuck könne sembler faire allusion à cette plante, dont la fleur servait quelquefois à placer les petites statues et les bustes des divinitès égyptiennes, selon l’attestation de Jamblique, de Porphyre et de celle de tant d’autres monuments. Die Blattformen des sicher antiken Kelches unter der Brust aber sind deutlich die des Akanthos, nicht des Lotos.
  6. Smith und Porcher antiquities of Cyrene Taf. 70.
  7. Sie sind abgebildet bei Clarac 2 Taf. 158, 342 und gehörten zu dem aus Boissard 2, 3 Taf. 76 bekannten aber jetzt verlorenen Epigramm in Burmanns Anthologie IV 230.
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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_26.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)