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Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia)

dem getragenen Gebälk, nicht vorlag. Schwerlich ist es ein Zufall, dass von den drei Säulenformen die korinthische mit Vorliebe aus dem festen Gefüge des Gebäudes gelöst und für sich freistehend als Trägerin von Bildsäulen verwendet worden ist. Der Akanthoskelch, in seiner Versinnlichung der Blumenblüthe, bietet in höherem Maße als die Capitelle der übrigen Säulenarten einen selbstständigen Abschluss.

Zunächst hat dies Vorbild, wie es scheint, zu der Verwendung des korinthischen Capitells oder aus ihm entwickelter verwandter Formen in wiederholter Uebereinanderstellung als Krönung marmorner Candelaber geführt, welche durchaus der Verwendung der gleichen Elemente in der Dreifußbasis auf der Spitze des bekannten choragischen Denkmals des Lysikrates entspricht[1]. Die reichste Sammlung der Welt an solchen Marmorcandelabern, die vaticanische, bietet eine große Auswahl von Varietäten dieser Verwendung[2]; aber auch in anderen Sammlungen fehlt es nicht an Beispielen derselben. Und hierbei erscheint, wie in den eigentlichen Säulencapitellen, das Akanthosblatt nicht ausschliesslich verwendet, sondern abwechselnd mit einer Anzahl anderer Blattformen[3].

Die Malerei ging hierin, wie immer, noch weiter. Auf den neugefundenen Decorationen der kaiserlicher Gemächer auf dem Palatin kommen ganze Säulen wie Blüthenstengel aus Blattkelchen hervor[4]; ein Motiv, das dann in den pompejanischen Wanddecorationen wiederkehrt. Früher noch, in der gemalten Architectur jener phantastischen Bauten, welche die Mitte der großen süditalischen Prachtvasen einzunehmen pflegen, findet sich das gleiche Motiv in eigentümlicher Weise so verwendet, dass auf den aus dem Blattkelch hervorkommenden Säulenstumpfen nackte jugendliche Gestalten (vielleicht weibliche, das Geschlecht ist undeutlich) stehen, welche das Gebälk wie Karyatiden zu tragen scheinen[5]. Verglichen werden kann


  1. Vgl. C. von Lützow’s Aufsatz über das choragische Denkmal des Lysikrates in Athen nach Theophil Hansen’s Restaurationsentwurf in der Zeitschrift für bildende Kunst 3, 1868 S. 233 ff. und 264 ff.; besonders die Abbildung der Spitze auf der Tafel zu S. 264.
  2. In Pistolesi’s Werk il Vaticano descritto finden sich Bd. 3 Taf. 88, Bd. 5 Taf. 27. 29, Bd. 6 Taf. 18. 26. 32. 44. 45. 51 die schönsten derselben abgebildet. Dazu kommen die Abbildungen der beiden barberinischen Candelaber derselben Sammlung im Museo Pio - Clem. Bd. 5 Taf. 1. 5 und in den Annali 41, 1869 Taf. M., wo auch andere Publicationen citiert sind. Die Abgüsse in Berlin bei Friederichs 1 S. 453 Nr. 739 ff.
  3. So z. B. in dem großen Pariser, der aus Neapel stammt, Museo Pio-Clem. Bd 7 Taf. 88; der Abguss davon im hiesigen Museum bei Friederichs 1 S. 358 Nr. 941, in Böttichers Catalog Nr. 1270.
  4. So zeigten dieselben deutlich die der archäologischen Gesellschaft von den Herren Bormann und Schwechten vorgelegten Photographieen und Zeichnungen
  5. Auf der in den Monumenti des Instituts Bd. 8 Taf. 9 abgebildeten Vase von Altamuro in Neapel; Köhler in den annali 36, 1864 S. 284 und Heydemann die Vasensammlungen des Museo nazionale zu Neapel Nr. 3222 wissen keine ähnlichen Darstellungen anzuführen.
Empfohlene Zitierweise:
Emil Hübner: Bildnis einer Römerin, Marmorbüste des Britischen Museums (die sogenannte Clytia). Berlin: W. Hertz, 1873, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bildnis_einer_R%C3%B6merin_14.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)