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Lucrezia Borgia.
Von Tizian.


So nähert sich nur kindlich frommer Glaube
Der jungfräulichen Mutter und dem Kind,
So blickt die Hände faltend, rein gesinnt,
Die Unschuld selber, eine weisse Taube!

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Ach, leider fällt der schöne Wahn zum Raube

Der strengen Wahrheit, und der Schein zerrinnt:
Lucrezia ist’s, die blut’ge Ränke spinnt,
Und Gift gemischt beim Mahl zum Saft der Traube.

Ha, falsches Weib, die Menschen magst du trügen,

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Die Jungfrau und das Kind betrügst du nicht!

Sie täuschet nicht dein gleissend Angesicht,

Sie schau’n in deinem Herzen Mord und Lügen. –
Hat Tizian so, Alfonso’s Freund, gedacht?
Hat Zufall hier ein Wunder blind vollbracht?



Empfohlene Zitierweise:
Text von Julius Hübner: Bilder-Brevier der Dresdner Gallerie. Verlagsbuchhandlung von Rudolf Kuntze, Dresden 1857, 1859, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bilder-Brevier_der_Dresdner_Gallerie.pdf/156&oldid=- (Version vom 31.7.2018)