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 Es wird nicht unbescheiden sein oder als Selbstüberhebung gedeutet werden, wenn wir meinen, daß der Schwerpunkt der Erziehungsarbeit auch heute noch in dem Hause liege, das den Waisen sowie den anderen Zöglingen das Elternhaus ersetzen soll.

 Die Ordnung und Verfassung dieses Hauses erforderte gleichfalls dringlich eine Neuregelung. Der Grundlage der ersten vorläufigen Statuten von 1836 waren 1849 revidierte Satzungen gefolgt. Die Statutenrevision von 1855 traf Bestimmungen, die bis in dieses Jahr herein Kraft besaßen, in vielen Punkten aber durch die neuen Verhältnisse überholt und veraltet geworden waren. Vor kurzem ist eine neue Satzung mit Hausordnung und Dienstanweisung genehmigt worden. Sie gibt dem Inspektor innerhalb seines Wirkungs- und Berufskreises eine selbständigere Stellung, schafft der Landesgeistlichkeit ein Organ, durch das sie ihre Wünsche und Anschauungen der Anstaltsverwaltung übermitteln kann, und will auch solchen Pfarrwaisen, die nicht zum Studium sich eignen, die Fürsorge und Wohltat des Waisenhauses zuwenden.

 Wir haben – soweit das durch Satzungen möglich ist – dem Hause seinen alten guten Grund zu bewahren gesucht. Wir wollen eine kirchliche Anstalt sein und bleiben, wenn man auch vielerseits in allem „Kirchlichen“ z. Zt. etwas gering zu achtendes sieht. Wir wollen erziehen in evangelischem, christlichem Geist. Es ist kein Wort zu verlieren, wie das gemeint ist. Verständnislosigkeit oder übler Wille mag das als den Weg zur Frömmelei und Kopfhängerei bezeichnen; wer aus der Nähe die Sache betrachtet und der Wahrheit die Ehre gibt, kann aus dem frischen, fröhlichen Leben unserer Zöglinge anderes ersehen. Daß es ein Übermaß religiöser Übungen und kirchlicher Gewöhnung so wenig tut, wie im Religionsunterricht ein Übermaß des Stoffes, das wissen wir. Aber daß Gewöhnung, Ordnung, Sitte, Regel in der Erziehung, auch in der religiösen Erziehung ein berechtigter und wertvoller Faktor sind, vertreten wir. Am ausführlichsten ist wohl das Erziehungsprogramm unserer Anstalt bei dem ersten Jahresfest 1838 von dem ersten Inspektor Ulmer entwickelt worden. Es ist merkwürdig: die pädagogischen Zeitfragen, die er behandelt, sind die Grundfragen der Erziehung von heute. Die Beantwortung, die er gab, klingt zusammen mit dem, was aus der Tiefe des ewigen Gotteswortes uns heute als Grund und Ziel evangelischer Erziehung aufgezeigt worden ist. So haben wir auch über des neuen Hauses Pforte das Wort geschrieben, das Brandt vom alten sprach: „Jesus Christus soll in ihm das A und O sein.“ Je enger wir im Glauben mit ihm verbunden sind, desto mehr schweigt alles Rühmen und alles Pochen auf Erziehungskünste. Wir gedenken an diesem Orte, der seit 1400 Gethsemane heißt, daran, daß es Gethsemane-Stunden gekostet hat,