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Gebirges, welche eine ca. 100’ breite Fläche bildet, nach Nordwesten eingeschlossen von einem Kranz steiler, etwa 50’ hoher Felsen, nach Südosten aber offen. Hier stand einst die Kapelle zum heiligen Kreuz, deren bis auf die Sockelmauer abgebrochene Ruinen stark vom Zahn der Zeit und der Unbill der Witterung heimgesucht sind. Gegen Nordwesten ist noch ein 8’ breiter Steinwall, der gegen Belsenberg steil abfällt, erkennbar. Vgl. Bazing, Belsenberg eine Balderskultstätte, Württ. Viertelj. 1881, 283 ff. Die Grundmauern sind etwa 4’ dick und 4’ hoch. Dieselben bestehen größtentheils aus kleinen, durch Mörtel verbundenen Steinen. Der Chor im Osten schloß als halbes Achteck, jede Ecke war gestützt durch einen Strebepfeiler. An der südlichen Mauer des Schiffes waren früher 2 runde, etwa 20 cm weite Löcher ca. 70 cm über dem Boden. Eine Treppe ist noch erkennbar. Lange Zeit war dieses Heiligthum in kathol. Gegenden berühmt; noch vor 50 Jahren kamen vereinzelte Wallfahrer aus Oberschwaben zu demselben. Die jetzt umgegossene mittlere Glocke der Kirche zu Belsenberg gehörte früher in die Kreuzkapelle. Zwei andere sollen nach Amrichshausen entführt worden sein. Allem nach ist hier ein in ein christliches Gotteshaus umgewandelter heidnischer Tempel zu suchen, ähnlich wie auf dem Michelsberg bei Bönnigheim. Die Flurnamen in der Umgebung erinnern an die heidnische Zeit, z. B. die Teufelsklinge und der Götterstuhl auf der Markung Steinbach im Osten, Österbach und Österholz im Norden. Möglich, daß das Heiligthum der Göttin Ostara geweiht war. Eine Kombination mit dem keltischen Gott Velen ist unwahrscheinlich. Vgl. W. F. 1850, 92 ff. Ein kirchlich anerkanntes und bischöflich geweihtes Heiligthum kann es nicht gewesen sein, da es in dem Katalog der Gotteshäuser im lib. synodal. 1453 fehlt. Württ. Viertelj. 1880 S. 283. Daß sie aber damals noch bestand, beweist der Umstand, daß 1487 einem Leibeigenen der Kapelle zu Belsenberg in der Rosenberger Fehde 2 Kühe weggenommen wurden, l. c. S. 68. Bei der Kapelle sollen noch 2 Häuser, darunter ein Wirthshaus, gestanden sein. (Mündl.)

Daß in Belsenberg ein alter gottesdienstlicher Mittelpunkt für eine weite Umgebung war, ergibt sich auch daraus, daß in christlicher Zeit noch bis ins 14. Jahrhundert das abgelegene und nicht sehr zugängliche Belsenberg die Mutterkirche für Ingelfingen und Niedernhall im Kocherthal war.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_374.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)