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Eigenthümlich ist das Selbotengericht, das 1611, 1625, 1686 in Schuldklag-, Kauf- und Untergangssachen erwähnt wird. Es ist das selbstgebotene Gericht an den gewöhnlichen Amtstagen gegenüber dem auf besonderes Verlangen berufenen Gericht, dem Kaufgericht.

Die Polizei lag in den Händen des Schultheißen. Er hatte das Geleite zu üben in der Stadt. 1604 fiel Graf Philipp von Hohenlohe mit 2000 Mann am Neujahrstag in den Flecken, um den Schultheißen Hans Hecht wegen Geleitsirrung zu greifen. Der Gottesdienst wurde eingestellt, der Schultheiß hatte sich aus dem Weg gemacht.

1608 übte Hohenlohe über dem Thor das Geleite bei der Durchreise des Markgrafen Georg Friedrich von Durlach. Die andern Ganerben protestirten.

Für Sittenpolizei ist bemerkenswerth die Fluchbüchse, welche seit 1525 in den Wirthshäusern aufgestellt war, der Ertrag wurde der Almosenspende zur Verrechnung übergeben. Während des Gottesdienstes soll Stille herrschen, alles Fressen und Saufen ist abzustellen (1608), die auf der Gasse Vagirenden wie auch Spieler und Müssiggänger werden gestraft oder weggeschafft. Gegen den Luxus wird besonders bei Taufen und Hochzeiten gekämpft. 1596 wurde publizirt, da bei allen Hochzeiten und Tänzen auf dem Rathhaus von muthwilligen Unterthanen Schlägereien verübt werden und von Junggesellen Nachts durch Gassiren allerlei Leichtfertigkeiten fürlaufen, so setzen die Ganerben 5 fl. Strafe oder 14 Tage Haft bei Wasser und Brot an. Auf der Gasse darf sich nach Ave Maria niemand zu gassiren finden lassen. Jungen Leuten, die Unfug treiben, wird auch auferlegt, 2 bis 3 Jahre zu wandern und gute Zeugnisse ihres Verhaltens mitzubringen, um eingelassen zu werden.

Gefallene Mädchen werden auf 14 Tage bei Wasser und Brot eingesteckt und müssen den Stein den Flecken auf- und abtragen. Nach 9 Uhr ist das Wirthshaus verboten (1518). Dagegen wird 1659 das Wirthshausglöcklein um 10 Uhr geläutet auf dem Rathhaus. Wirth und Gäste zahlen nach 10 Uhr je 1 fl. Strafe. 1611 wird ein Trinker auf 14 Tage bei Wasser und Brot eingesteckt, einem andern dürfen die Wirthe bei 5 fl. Strafe keinen Wein geben. In öffentlichen Trauerzeiten (Tod des Kaisers oder der Ganerben) ist Musik und Tanz verboten.

Für Arme ist die Almosenpflege bestellt. Ein verlassenes Kind wird 1607 vom Schultheiß in die Kost gegeben, 1611 sollte eine Almosenordnung aufgerichtet werden.

Die Thorschlüssel werden des Abends dem Schultheißen oder in seiner Abwesenheit dem ältesten Baumeister übergeben. Nach 9 Uhr darf der Thorwächter ohne des Schultheißen Erlaubnis die Thore nicht mehr öffnen (1611 und 1678).

Von 9 Uhr an bis zum Morgen werden die Stunden ausgerufen. Gegen Wildschaden in der Sonthalde wird 1597 und später gehütet.

Über das Ernten, Ährenlesen (1573 erst wenn die Garben abgeführt), die Weinlese nach Vierteln (1610), die besondere Kelterung der Klebweinberge waren Bestimmungen getroffen.

Die Feuerpolizei ist schon 1439 erwähnt; es gab damals schon amtliche Feuerbeseher. Das Flachsdörren im Dorf war (1601) verboten,

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_298.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)