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1611 wird bestimmt, wenn ein Ganerbe Todes verführe, soll man nach christlichem Mitleid ein Vierteljahr trauern und die Spielleute verboten sein. Auch der Amtsantritt der herrschaftlichen Beamten hatte sein besonderes Ceremoniell.

Als Organe des Gemeinderegiments und der Verwaltung finden wir obenan den gemeinen Schultheißen, die Siebener d. h. die sieben Richter, 1525 Bauermeister, sonst Baumeister, 1609 auch Bürgermeister genannt, 2 Prokuratoren 1573, Viertelsmeister, die Gerichtsschreiber, durchweg bis Mitte des 17. Jahrhunderts (1646) die Schullehrer, die Vierundzwanziger (1515 als Schiedsrichter zwischen der Gemeinde und den 7 Besitzern von Kronhofen genannt, wohl identisch mit den Heimbürgen), 1699 den Ausschuß. Später erscheinen die Dreißiger als Vertreter der Bürgerschaft. Dieses Kollegium ergänzte sich selbst. 4 Deputirte von ihnen waren je auf 2 Jahre die Sprecher des Kollegiums. Da diese Ordnung allmählich eingeschlafen war, wurde sie 1802 neu belebt und wieder Dreißiger gewählt.

Niedere Ämter des Fleckens waren: Büttel, Heiligenpfleger, Almosenpfleger, Siechhauspfleger, Schieder, Eicher, Brotschauer, Fleischschätzer, Feuerschauer, Flachswäger, Wagmeister, Thorwächter, Thor- und Wachtgeldsammler, Nachtwächter, Holzwächter, Schafmeister, Hirtenmeister.

Der gemeine Schultheiß wurde von dem Richterkollegium aus seiner Mitte oder aus der Gemeine gewählt. Stimmenmehrheit entschied. Er gelobte dem ältesten Richter, der Ganerben Obrigkeit und Rechte zu schützen und die alten Gewohnheiten zu erhalten.

Abgesetzt konnte der Schultheiß nur von den Ganerben, nicht vom Gericht werden (ebenso der Gerichtsschreiber). 1501 f. suchte das Gericht den Schultheißen möglichst vom Richterkollegium abhängig zu machen. Er gebot in der „hochwürdigsten, hochwürdigen, hoch- und wohlgeborenen, wohledlen und gestrengen, seiner gnädigsten und gnädigen Herren und Junker“ Namen, und hatte als Abzeichen Degen und Stab. Nach der Gemeindeordnung von 1493 soll der Schultheiß helfen über alle Missethat, ob die Klag auf Leibesstraf oder Glimpf lautet, helfen und Vollstreckung thun bei Mißhändel, Schuldklagen, Güterkäufen, auch im Namen der Ganerben das Geleit zu K. üben, jährlich auf St. Peterstag über alle Gefälle und Amtseinnahmen Rechnung thun. 1517 wird bestimmt, daß alle 14 Tage Schultheiß und Gericht Amtstag halten, es käme denn ein Gast oder handle sich um Ehre und Gut. 1572 wird dem Schultheißen verboten, Klaggeld zu nehmen. Beruft er eine Zusammenkunft der Ganerben oder ihrer Vertreter, so hat er (1608) ihnen 3 Tage zuvor den Gegenstand der Verhandlung mitzutheilen. Bei Streit und Schlägereien gebietet er Frieden, und alle Bürger sind im Nothfall verpflichtet ihm beizustehen. Er bietet auch die Bürgerschaft auf zum Schutz Bedrängter, führt Aufsicht über die Gemeindediener, verwahrt des Nachts die Thorschlüssel, setzt Termine bei Schuldklagen und übt die ganze Polizei, Sicherheits-, Markt-, Sittenpolizei aus. Seine Besoldung betrug 5 fl., die des Gerichtsschreibers und des Büttels je 1 fl.

Neben dem Schultheißen stehen die sieben Richter oder Siebener. Dieses Kollegium ergänzt sich durch Kooptation. Dieses Recht gieng nach dem Bauernkrieg verloren. Es blieb nur ein Vorschlagsrecht,

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_292.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)