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gestärkt wurde, das gegenüber seiner Umgebung sich einer verhältnismäßigen Selbständigkeit erfreute. Daher der Reim:

Wer von Neuenstein kommt und sieht kein Kind,
Und von Waldenburg und spürt kein’ Wind,
Und kommt von Künzelsau und wird nicht verspott’,
Der ist wahrlich begnadigt bei Gott.

Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind im Allgemeinen günstig. Arme sind es verhältnismäßig wenig; der ganze jährliche Armenaufwand belauft sich auf etwa 2500 M. Das Haupterwerbsmittel ist Gewerbebetrieb. Der Güterbesitz ist sehr stark zerstückelt. Die Weingärtner, welche zugleich Landwirthschaft treiben, besitzen meist 3–6 ha. Nur wenige Güterbesitzer haben bis zu 15 ha. Güterbesitz auf auswärtigen Markungen ist klein, dagegen ist ein ziemlich großer Theil der Markung in den Händen der Auswärtigen.

Handel und Gewerbe, sowie einheimischer und durchlaufender Verkehr ist bedeutend, so daß es sich fragt, ob Künzelsau durch eine durchlaufende größere Eisenbahnlinie gewonnen hätte, während eine Zweigbahn mit Sekundärbetrieb von großem Nutzen werden könnte.

Von Fabriken sind zu nennen: die durch Dampfkraft betriebene Lederfabrik von Reger und Comp., welche ihren Hauptabsatz nach Norddeutschland, Bayern, Rheinpreußen und Baden, weniger in Württemberg selbst hat. Die in größerem Maßstab betriebene Sohlleder- und Oberledergerberei von August Layer, die ihren Absatz hauptsächlich nach Bayern und in die Rheingegend hat; ferner die durch Wasserkraft betriebene Tabaksfabrik von H. Krüger; die Kunstmühle von Albert Winter und Sohn, welche ihren Absatz in ganz Württemberg, Baden und Bayern hat; diese Mühle hat 6 Mahlgänge und ist mit derselben eine Sägmühle verbunden; außer dieser Mühle sind noch 2 Kundenmühlen mit 4 und 3 Mahlgängen vorhanden, ferner 2 Sägmühlen, 2 Ölmühlen, 3 Lohmühlen, 3 Gipsmühlen, 3 Hanfreiben; sämmtliche Wasserwerke werden durch den Kocher betrieben.

Auch die Schuh- und Schäftefabrikation von Mayer und Hartmann ist hier zu nennen, welche mit 6 männlichen und 2 weiblichen Gehilfen arbeitet und 9 Maschinen im Betrieb hat und ihre Waaren hauptsächlich in Stuttgart, sowie in der Umgegend von Ludwigsburg, Heilbronn, Gmünd und Aalen absetzt.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_273.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)