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ungleiche Hälften, deren größere die östliche ist, während die westliche erst allmählich sich weiter auszudehnen beginnt. Die Lage der Stadt am linken Kocherufer ist für ihren Gewerbebetrieb sehr günstig, wie denn Künzelsau seinem Gewerbfleiß sein Emporkommen verdankt. Dagegen ist die Lage der Stadt in dem tiefeingeschnittenen Kocherthal für ihren Verkehr weniger günstig. Nur in dem vielgewundenen Kocherthal, das wenige Kilometer oberhalb Künzelsau seine größte Krümmung hat, führt eine Thalstraße, aber der nächste bedeutende Verkehrsmittelpunkt im Kocherthal Hall ist schon 29 km entfernt. Nach Süd und Nord führen bedeutende, wenn auch gute Steigen auf die Hochebene und zu den Bahnlinien Heilbronn–Crailsheim und Mergentheim–Osterburken. Unmittelbar im Rücken der Stadt erheben sich allenthalben steile, meist bewaldete Höhen, von denen man hübsche Aussichten auf die Stadt genießt, wie vom Galgenberg, Buchs- oder Deuberg, Lindle und Häsle, im Südosten der Wartberg mit dem alten Wartthurm, als wollte er heute noch die friedliche Stadt warnen vor plötzlichem Überfall. Im Norden gerade der Stadt gegenüber erhebt sich steil ein fleißig gebautes Weingelände, gekrönt vom Schloß und Dorf Garnberg. Die eingeschlossene Lage schützt die Stadt vor starken Winden, wie die Wälder auf der Hochebene vor Hagel, aber sie bringt viel starken Nebel.

Die Stadt ist unter württembergischem Regiment eine reinliche, freundliche geworden. Während die alten Straßen meist eng und theilweise unregelmäßig sind, hat die Stadt durch die Übermauerung des Künzbaches eine große breite Straße, wie sie in den Großstädten sich findet, dicht besetzt mit Läden und Wirthschaften, gewonnen, so daß Künzelsau einigermaßen den Namen verdient, welchen es längst in der Gegend hat, Klein-Nürnberg. Schon 1676 hatte der Bach in seinem obern Theil ein gemauertes Bett; Brücken bei der Kirche, beim Rathhaus und das Todtenbrücklein dienten dem Wagenverkehr; außerdem waren Stege und Schwellen drüber gelegt, daneben bediente man sich der Furten; längs des Baches standen Weiden. Die Stadt umgab ursprünglich ein Bannzaun aus Palisaden, ein Wall und Graben (schon vor 1493); 1676 wurde der Graben ganz um die Stadt herumgeführt, tiefer und breiter angelegt und ausgemauert, die Stadtmauer erst in den Jahren 1767 bis 1786 aufgeführt. Es geht die Sage, man habe den Juden Aufnahme in die Stadt versprochen, wenn sie die Mauer bauen,

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_264.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)