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In Niedernhall giengs früher erst mit Musik zur Kirche, dann zum Rathhaus, wo ein gereimter Wunsch gesprochen wurde, sodann zum Essen nach Hause, Nachmittags und Nachts war Tanz auf dem Rathhaus. In Ingelfingen gieng der Hochzeitzug Abends 4 Uhr vom Hochzeithause durch die Stadt, voraus die Musik, dann je 2–3 Paar kleiner und erwachsener Mädchen, dann das Ehepaar, zur Seite 2 junge Bursche, der eine mit 10–12 Zinnflaschen an ledernem Riemen, der andere mit Maßkanne und Glas. Langsam gieng der Zug durch die Gassen, um jedermann Zeit zu lassen, das Paar zu beschenken. Nach Bierlinger, Aus Schwaben II, 287.

Zum Hochzeitessen wird der Pfarrer durch die Hochzeitknechte abgeholt. Dasselbe dauert 3 Stunden und darüber. Bald stimmt die Jugend den Gesang an, der nicht mehr verstummt. Getrunken wird langsam, aber in ansehnlichen Quantitäten. Ist eine der großen Zinnkannen leer, der Hausherr nicht alsbald bei der Hand, sie zu füllen, so wird sie zum Spott umgelegt oder an einem Nagel in der Wand aufgehängt. (Auch bei Taufen.)

Mit Dunkelwerden bringen die Freunde und Nachbarn die Hausschenke und nehmen nun am zweiten Mahle Theil.

In Westernhausen und Muthof hat sich die Sitte des Annotens, Ounotens (Onnot, Unnot; mer hawwan angnott. S. OA.Beschr. Mergentheim S. 164) erhalten. Die Jünglinge und Jungfrauen versammeln sich vor dem Hochzeithaus und singen ein altes Lied. Der junge Ehemann erscheint mit einer Kanne Wein und Kuchen und ruft: Ihr Herren Junggesellen herbei! Während Wein und Kuchen herumgeht, nehmen die Jünglinge dem Ehemann den Hochzeitstrauß vom Rock. Ähnlich hälts die Braut mit den Jungfrauen, die ihr den Brautkranz vom Kopfe nehmen.

Nach dem letzten Mahl etwa um 11 Uhr, bringen die Köchin und Spülmad die „letzte Richt“ für den Ehemann in verdeckter Schüssel. Unter homerischem Gelächter offenbart der gehobene Deckel eine Puppe, Ziller (Schlözer), Kinderschuhe, Kinderhäubchen, worauf sie von den Gästen beschenkt werden. (Köchin je 1 M., Spülmagd 50 Pf.) West.

Eine große Hochzeit dauert 3, auch 5 Tage. Da wird in den reicheren Orten jedes Haus von der Hochzeitgesellschaft aufgesucht. Sie wird mit Küchlich, Wein, Kaffee bewirthet. In den mitgeführten Eierkorb wandern Eier, aus denen der Eierblatz gebacken wird, der das Zeichen zum Abschied von der Hochzeit bildet.

In Niedernhall zog man früher am zweiten Hochzeitstag ins neue Haus, die Mädchen mit Hausgeräthen und Betten voran, die Hochzeitknechte mit Weinbergpfählen, an denen das Kinderzeug hieng, Männer mit Weinkanne und Brotlaib, von denen man unterwegs austheilte, folgten. In Künzelsau war an diesem Tag bis vor 50 Jahren die „Bettelhochzeit“. Das junge Paar, begleitet von Brautjungfern mit leeren Körben, machte die Runde. Die junge Frau sprach in jedem Haus: Ich habe mich diese Nacht arm geschlafen. Ihr sollt mir auch was steuern, und erhielt darauf ein Hochzeitsgeschenk, das die Brautjungfern in die Körbe legten. Nach Birlinger II, 208.

Acht bis vierzehn Tage nach der Hochzeit kommt die „junge War“ noch einmal im Hochzeithaus zusammen und wird mit Kaffee oder

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_127.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)