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oder blaue Strümpfe mit Zwickeln, Stöcklesschuhe mit hohen Absätzen, die 3 Nägel hatten, am Sonntag silberne Schnallen, bei evangelischen Frauen die theure, aber wohlstehende Draht- oder Storhaube in der Form einer Aureola, mit schwarzem Flor überzogen, bei Jungfrauen mit weißem. So giengs zur Kirche und zum Tanz. Erhalten hat sich die schöne Bandhaube mit langen zwei- und dreifach auf den Röcken hinabwellenden, breiten seidenen Bändern, die katholischen Frauen trugen sog. Löperbecher, spitzige Florhauben in Zuckerhutform, die Jugend „Kreuselhauben“ und Bodenhauben mit Goldborten, ähnlich wie in der Steinlach.

Zur weitern Beleuchtung des Charakters und der Eigenschaften dient das nachfolgende Bild der Sitten und Gebräuche, die theilweise noch aus heidnischer Vorzeit stammend, theilweise auf der festen Grundlage christlichen Volkslebens ruhend, sich bei dem conservativen Franken ungetrübter erhalten haben als in andern Landesgegenden.


1. Sitten und Gebräuche an bestimmten, besonders kirchlichen Tagen des Jahrs nach dem Gang des Kirchenjahrs, das für das Volksleben maßgebend ist.[1]

Adventszeit. An den drei ersten Donnerstagen der Adventszeit singen die Kinder vor jedem Haus (in Westernhausen und Umgebung nach dem Betläuten) und erhalten Obst, Marzipan gen. Zuckerdockelich, Griffel etc. Die herkömmlichen Lieder sind wie im O.A. Mergentheim, s. OA.B. S. 158: Die Roschan, die Roschan, Wir wünschan. Klopfan, klopfan Hemmerle.

Auch: Klane Birlich, Stielich drau,
Auch: N. N. kriegt da schönste Mau.

Die Ungeduld der Wartenden singt:

Ich bin ein kleiner König.
Gät mer net zu wenig.
Loßt me net zu lang do stêhn,
I mueß heut no weiter gêhn,

oder bei vergeblichem Warten:

Epfel raus, Bira raus
Oder i schlåg a Louch nei ’s Haus. (West.)

Thomastag. Man erkundet die Fruchtbarkeit des kommenden Jahrs durch Bleigießen. Die Mädchen können ihren künftigen Liebsten

  1. Reiche Beiträge für Sitten, Sprache und Sagen haben in dankenswerther Weise Pfarrer Ernst in Westernhausen, Hummel in Belsenberg, Lehrer Cherbon in Rengershausen, früher in Jagstberg, geliefert.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_119.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)