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daß von den im Jahr 1845 geborenen Knaben noch 50% zur Musterung kamen, in den andern Kreisen nur 42%, beziehungsweise 46%.[1]

II.

Die Fruchtbarkeit, aber auch die Sterblichkeit ist bekanntlich bei uns höher als in andern Ländern, die einzelnen Oberämter verhalten sich übrigens verschieden. Nach früheren Berechnungen von Dr. v. Cleß kam die höchste Fruchtbarkeit dem Oberamt Neuenbürg (1 Geburt auf 20,2 Einwohner), die geringste dem Oberamt Wangen (1:41,9), dem Oberamt Künzelsau aber eine mittlere zu (1:26,3).[2]

Die höchste Sterblichkeit hatte nach Cleß das Oberamt Blaubeuren (1:25,4), die geringste die Stadt Stuttgart und das Oberamt Wangen (1:41,3 u. 40,9), das Oberamt Künzelsau steht auch hier in der Mitte (1:33,1).[3]

Wie sich diese Verhältnisse neuerdings im Oberamt gestaltet haben, ist aus dem vorangehenden Abschnitt zu ersehen.

Hienach fand überall ein Überschuß der Geburten über die Todesfälle statt.

Der natürliche Zuwachs bestand im Jahr durchschnittlich aus 1,19% der Bevölkerung[4]. Nach Tabelle S. 102 f. bewegte sich die Geburtsziffer der einzelnen Gemeinden zwischen 2,93 und 5,31%, bei den meisten zwischen 4 und 5. Die durchschnittliche Geburtsziffer war 4,22%. Die Sterbziffer schwankte zwischen 1,78 und 4,06%, bei 22 Gemeinden zwischen 3–4 und bei 20 zwischen 2–3%. Die durchschnittliche Sterbziffer war 3,03.

Die meisten Todtgeburten fanden sich in den Gemeinden auf der Hochfläche und zwar im südöstlichen Theil des Bezirks.

Sterblichkeit der verschiedenen Altersstufen. (Vgl. S. 99 ff.) Cleß fand das Verhältnis der Sterblichkeit des 1. Jahrs zur Gesammtsterblichkeit im ganzen Land = 43,4%, zur Zahl der Lebendgebornen = 35,4%, im Oberamt Künzelsau = 34,6% beziehungsweise 28,7%.[5] Nach unsern Erhebungen schwankt die Sterbziffer des ersten Lebensjahrs in den einzelnen Gemeinden zwischen 20,69 bezw. 12,63% und 51,47 bezw. 36,36%, woran der erste Monat in vielen, aber nicht in allen Gemeinden den Löwenantheil hatte. Die Durchschnittsziffer des Bezirks betrug 37,11 bezw. 26,28%. Unsere Kindersterblichkeit steht also nicht blos tief unter dem Landesdurchschnitt, sondern auch – wenigstens mit dem Verhältnis zu den Lebendgebornen – unter dem Durchschnitt des von Cleß berechneten Zeitraums. Der Grund dieser so mäßigen Sterblichkeit dürfte in dem allgemeinen Brauch der natürlichen Ernährung der Kinder zu suchen sein, und wo diese nicht gereicht werden kann, wird einfache Kuhmilch ohne oder mit leichtverdaulicher Zwieback-, Gries-, Reis- oder Arrowrootsuppe gegeben. Schlotzer bekommt man fast nirgends mehr zu Gesichte.

Je niedrer aber die Kindersterblichkeit, um so stärker ist der Antheil

  1. Württ. Jahrbücher 1867 S. 231. Vgl. auch die Bemerkung über die „freiwillige Revaccination“ III S. 113.
  2. Württ. med. Korr.-Blatt Band 26–40.
  3. ibid. 1870 S. 162, 163.
  4. Württ. Jahrbücher 1874 Th. I Beiträge zu Tabelle VI u. VII.
  5. Württ. med. Korr.-Blatt 1870 S. 165.
Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_110.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)