Seite:Berühmte Vielesser.pdf/3

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Berühmte Vielesser (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

in Palermo gewesen, der ihm nur deshalb die Freiheit geschenkt hatte, weil Vestus allein für sich mehr verzehrte als sechs andere Sklaven zusammen und dabei wegen seiner Trägheit zu keiner Arbeit tauglich war. Bevor dieser Mensch, der einem gutmütigen Riesen glich, bei dem Gastgeber erschien, schlossen die Anwesenden noch schnell Wetten ab, was alles an Speisen er hintereinander zu verzehren imstande sei.

Aulus Vestus, wie ein berühmter Held empfangen, nahm zwischen den übrigen Gästen Platz und begann, während er die Geschichte seines Lebens berichtete, das für ihn besonders bereitgehaltene Essen zu vertilgen. Er nahm zu sich: zwei Schüsseln einer süßen Speise, die für fünfzehn Männer ausgereicht hätten, drei gebratene Hühner, drei Schüsseln Fischsalat und einen gebratenen Hammel, von dem nur gerade so viel übrigblieb, daß die beiden Hunde des Numantius ihren Hunger an den fast kahlen Knochen notdürftig stillen konnten. Dazu trank er eine ungeheure Menge Wein. Jeder andere Mensch wäre davon gestorben. Trotzdem war er bis zuletzt der Nüchternste der Tafelrunde. Diejenigen von den Teilnehmern an dieser Feier, die auf die Fähigkeiten des Aulus Vestus vertraut und behauptet hatten, er würde noch mehr als nur den für ihn hergerichteten Hammel verspeisen, gewannen viel Geld an jenem Abend - Numantius wohl am meisten, denn er hatte den „Vielesser“ schon bei Rustio in Palermo gesehen.

Zur Zeit Kaiser Ottos I. lebte ein ähnlich „einnehmender“ Magenkünstler. Diesen erwähnt der kaiserliche Sekretär Galvinus Ochio in einer uns zum Teil erhaltenen Schrift, die das Leben am Hofe Ottos I. behandelt. „Zu den Herren, die der Kaiser zu seinen Vertrauten erwählt hatte, gehörte auch der burgundische Graf Tassilo v. Belramor, der von so gewaltiger Größe und von solchem Leibesumfang war, daß der Waffenschmied für eine Rüstung für den edlen Herrn v. Belramor genau das Vierfache wie von jedem anderen Menschen verlangte. Als eines Tages der Gesandte des Papstes, der Bischof Trigufer von Mailand, am Hofe des Kaisers erschien, veranstaltete dieser zu Ehren des Gastes eine Jagd auf Wildschweine, der auf freiem Felde

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Berühmte Vielesser (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ber%C3%BChmte_Vielesser.pdf/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)