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Walther Kabel: Berühmte Bücherdiebe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 227–231

Zahl – aufs kostbarste gebundene Bücher, die er stets durch einen befreundeten Händler nach Frankreich und Italien schaffen und dort verkaufen ließ. Dabei wußte er so vorsichtig zu Werke zu gehen, daß niemand Verdacht gegen ihn schöpfte.

Aber schließlich wurde er doch abgefaßt, als er gerade mit einer überaus wertvollen Bibel unter dem Mantel aus dem Hause des Ratsherrn Phister schlüpfen wollte und hierbei mit dem eben heimkehrenden Ratsherrn derart zusammenstieß, daß die schwere Bibel auf den Boden rollte. Trotz dieses augenscheinlichen Schuldbeweises leugnete Silvanus hartnäckig, mit den zahlreichen Bücherdiebstählen, die bereits die ganze Stadt in Aufregung versetzt hatten, irgend etwas zu tun zu haben. Er hätte nur den Text der neuen Bibel mit einer alten Handschrift vergleichen wollen, suchte er sich herauszureden. Doch die Nachforschungen ergaben sehr bald, daß nur überall da aus den Häusern Bücher verschwunden waren, wo Magister Silvanus der Jugend die Gelehrsamkeit einpaukte. Damit war sein Schicksal besiegelt. Er wurde am 2. September 1492 gehängt.

Bis zum Jahre 1759 mußte Silvanus auf einen würdigen Nachfolger warten. Dann machte der Bibliothekar Jacques Milvaux viel von sich reden, dem Friedrich der Große auf Empfehlung Voltaires diese gut besoldete Stellung in den Berliner Schlössern verliehen hatte, eine Gunstbezeigung, die Milvaux jedoch zu den schamlosesten Diebstählen ausnützte. Nur ein Zufall brachte das Treiben des gelehrten Franzosen, der nicht weniger als sieben Sprachen fließend beherrschte und nebenbei noch ein großer Astronom war, an das Tageslicht. Es war nämlich den Dienern im Schlosse von Sanssouci aufgefallen, daß der anmaßende und daher recht verhaßte Franzose fast jeden Monat sehr schwere Pakete nach Paris sandte. Eines Tages wurde nun eines dieser Pakete von dem Postmeister in Potsdam geöffnet, den die Dienerschaft auf die häufigen Sendungen aufmerksam gemacht hatte. Man fand darin mehrere wertvolle Handschriften, die sämtlich den Stempel der Königlichen Bibliothek trugen. Friedrich der Große, von dieser Entdeckung benachrichtigt, befahl darauf, die Bücherbestände

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Walther Kabel: Berühmte Bücherdiebe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 227–231. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ber%C3%BChmte_B%C3%BCcherdiebe.pdf/3&oldid=- (Version vom 18.8.2016)