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darin finden, Kulturpolitik zu treiben und dies ist eine Politik, deren Wirkungsmittel nicht die äußerlich organisierte Macht, sondern die innerlich fortwirkende Erkenntnis ist. Im Reich der Geister gibt es nicht die unter einer Flagge marschierende äußerliche Vereinigung, sondern nur den organisatorisch unfaßbaren Bund der ideellen Zusammengehörigkeit. Voraussetzung jeder Kulturpolitik ist die Erkenntnis des relativen Wertes jeglicher machtpolitischen Verfassung, ist weiterhin die Erkenntnis, daß Machtpolitik kein Endzweck, sondern Weg ist zur Kulturpolitik, ist drittens gegenüber den öffentlichen Erscheinungen jeglicher Machtpolitik der stete Hinweis auf diesen ihren ideellen Endzweck, – ein Hinweis, der nur dann erteilt werden kann, wenn die absolute Freiheit des Geistes gesichert ist. Diese Freiheit des Geistes aber ist an zwei Voraussetzungen gebunden: erstens, daß die herrschende Macht eine solche Freiheit des Geistes wünscht und gewähren läßt, daß sie den Geist nicht zum Trabanten und Agenten ihrer auch im günstigsten Falle zeitgebundenen Ideen herabwürdigt. Wir hoffen, daß der Sozialismus diese überragende Gewalt des Geistes anerkennt und gelten läßt. Erfüllt er diese Hoffnung, so begrüßen wir ihn als Befreier. Die zweite Voraussetzung ist, daß die Arbeiter am Geiste eine solche Freiheit innerlich auch wahrhaft wollen und sich fähig erweisen, sie zu üben – daß sie nicht nach Ämtern, Geldern, Ansehen, Einfluß zielen, sondern daß sie nicht anderes erstreben, als das reine „Dienen am Geist“. Die Erkenntnis, daß nur solches Streben den höchsten Wert der geistigen Arbeit zu Tage treten läßt, kann erst dann allgemein werden, wenn man das Problem der Volks- und Menschheitsentwicklung nicht als Problem des Systems, sondern als Problem der Führerschaft, das will sagen als Problem der Persönlichkeit auffaßt. Die Machtpolitik schafft Systeme und Organisationen, die Kulturpolitik soll den Wert der Persönlichkeit erkennen lehren. Sie kann Persönlichkeiten nicht aus dem Nichts hervorrufen, aber sie kann sie zum Bewußtsein ihrer selbst und der ihnen innewohnenden Kraft bringen und ihre Bedeutung erkennbar machen. Auf dieses Ziel hinzusteuern ist die Aufgabe – die einzige Aufgabe – des geistigen Arbeiters. Es gilt, die Kultur aus der Hörigkeit der Machtpolitik zu befreien, die bisherige Dienerin wieder zur Herrin zu erheben, und durch sie den Weg zurückzufinden zu einem reinen, großen Menschentum.



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Paul Bekker: Politik und geistige Arbeit (Bekker). Tiedemann & Uzielli, Frankfurt am Main 1918, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bekker_Politik_und_geistige_Arbeit_Seite_7.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)