Seite:Bekker Politik und geistige Arbeit Seite 6.png

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nun ist die Revolution gekommen – ohne sie. Was jetzt? Bisher waren die Intellektuellen Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsapostel – der Geist galt ihnen nicht als etwas Heiliges, um seiner selbst willen Vorhandenes, er galt ihnen als Betriebskapital, mit dem sie Geschäfte machten gleich dem Kaufmann. Sie stehen setzt vor der Entscheidung, ob sie diesess Prinzip weiterführen und nur die Firma wechseln, ob sie also wieder zu Mitläufern und Hörigen der Macht werden oder ob sie sich auf die Klarheit und Würde und damit auf die Selbständigkeit des Geistes besinnen wollen. Der erste Weg führt zur Versklavung – wobei es allerdings zweifelhaft bleibt, ob die neuen Machthaber so gut mit Titeln und Geld bezahlen werden, wie es die alten getan haben. Der zweite ist der Weg, der zur Führerschaft hinleitet. Er fordert Entsagung, sowohl im Hinblick auf Besitz, wie auf Macht und Ansehen, denn geistige Führerschaft erwächst nur aus der Einsamkeit, aus dem Entferntsein von der Masse, aus der Gleichgiltigkeit gegenüber ihren unmittelbaren Wünschen. Es handelt sich aber hier nicht um die Frage nach dem Wohlergehen der „Geistigen“, sondern um die weit wichtigere Frage, wie die ihnen verliehenen Fähigkeiten dem Ganzen dienstbar gemacht werden können – im Hinblick auf die Lösung des Problems, das wir als das Wichtigste jeder Kulturpolitik erkannten: das der Auslese der Führer.

Wenn die bisherigen Intellektuellen sich jetzt plötzlich in „geistige Arbeiter“ umtaufen und als solche nach politischem Anschluß und Einfluß streben, so bleiben sie ebenso lächerlich und unfruchtbar wie bisher – ja, sie überbieten noch die Intellektuellen alter Ordnung, indem sie beweisen, daß sie selbst mit den Ereignissen der Revolution nichts gelernt haben. Sie sehen nicht das Bedingte der einzelnen politischen Weltanschauung, sie erkennen nicht, daß Politik an sich mit all ihren sozialen und wirtschaftlichen Verzweigungen nur Mittel ist, nicht Zweck, und sie Vergessen, daß dieser Zweck zu allen Zeiten die Schaffung eines Kulturlebens bleibt. Damit ist nicht gesagt, daß der geistige Mensch als Einzelwesen politisch indifferent sein soll oder muß – im Gegenteil: je schärfer das Persönliche in ihm sich ausprägt, umsomehr wird er sich zu politischer Aktivität gedrängt fühlen. Er kann Monarchist, er kann Demokrat und kann Sozialist sein, ohne seiner Geistigkeit zu schaden. Aber er würde die ethischen Grundlagen seiner Geistigkeit zerstören, wollte er sich mit anderen zu einer Gruppe der Geistigen zusammentun. Eine solche Gruppe könnte nichts anderes sein als eine Interessenvertretung. die sich im Kampfe notwendig immer mehr zur wirtschaftlichen Einseitigkeit verschärfen müßte. Eine wirtschaftliche Interessenvertretung aber auch noch der Geistigen als deren Repräsentation würde ihnen den letzten Anschein ihrer Daseinsberechtigung oder doch ihres Daseinswertes rauben, würde sie endgiltig zu Produzenten im gewerblichen Sinne stempeln, würde den „Geist“ zur Materie und das geistige Produkt zur Ware machen. Es gibt keine unglückseligere Begriffsprägung als die des „geistigen Arbeiters“, denn in ihre letzten Folgerungen durchdacht, hebt sie das Unfaßbare des geistigen Wertes auf und macht den geistigen Schöpfer zum mechanistischen Gewerbetreibenden.

Der geistige Mensch als Einzelerscheinung mag sich, soweit er politisches Betätigungsbedürfnis spürt, einer politischen Partei eingliedern, auch mögen sich beruflich Nahestehende zur Wahrung wirtschaftlicher Rechte genossenschaftlich organisieren – die Gesamtheit der Geistigen aber läßt sich parteipolitisch niemals fassen. Sie wird und muß ihre einzige Aufgabe

Empfohlene Zitierweise:
Paul Bekker: Politik und geistige Arbeit (Bekker). Tiedemann & Uzielli, Frankfurt am Main 1918, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bekker_Politik_und_geistige_Arbeit_Seite_6.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)