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No 15. Den 21. August 1838.

Beethoven’s neunte Symphonie.
Eine andere Ansicht.
An Herrn H. Hirschbach *)[1].

 Mein Herr!

So eben lese ich Ihre Zeilen über Beethoven’s 9te Symphonie, und ungeachtet mir noch der Schluß Ihres Aufsatzes fehlt, so drängt es mich doch, schon jetzt über das in Nr. 5 Enthaltene einige Worte an Sie zu richten, zumal das dort Ausgesprochene ein in sich abgeschlossenes Urtheil über das erste Allegro jener Symphonie enthält. Es war mir zu auffallend über jenen Satz, den ich immer für sehr groß und dessen Thema ich gerade für sehr geeignet zu ergiebiger Behandlung gehalten habe, ein meinen Empfindungen gerade entgegentretendes Urtheil zu lesen. Ich theile also hier meine Ansichten mit.

Sie finden, daß das Thema:

[WS 1]

„wenig bildsam“ sei; daß es „zwar durch nichts ausgezeichnet sei, aber dennoch schon den energischen Charakter des Ganzen verkünde; daß eben in Folge dieses Themas der Satz an öfteren Wiederholungen und Einförmigkeiten leide, und so endlich der Eindruck des Allegros nur ein energischer und großartiger sei.“

Um das Alles zu beweisen, führen Sie mehre Stellen [/] in Noten an, die meiner Meinung nach gerade das Gegentheil bestätigen. Ich dagegen theile hoffentlich mit recht Vielen die wohlbegründete Ueberzeugung, daß das Thema jeder Anforderung für ein Allegro genügt, dessen Charakter unbestreitbar: heroische Kraft, männlicher Ernst, ja beinahe tragischer Untergang sind. Ich bitte jeden Leser, sich nur die einfachen Noten, wie sie dastehen, forte aber nicht zu schnell zu singen oder zu spielen und dann zu entscheiden. Und daß wir uns ja nicht zu bemühen brauchen, die Schönheiten aufzusuchen, die etwa, der sogenannten Arbeit fähig und werth, darin versteckt liegen, so brauchen wir nur in das Zauberbuch des Componisten zu sehen, das alles fertig und herrlich vor unsern Blicken gestaltet. Ich ersuche Sie noch einmal, mit mir die Partitur durchzugehen.

Der Beginn, in welchem die einfachen zwei Noten das Thema verkünden, findet mit seinem wunderbar großen Crescendo etc. selbst Ihren unbedingten Beifall. Werfen Sie einen Blick auf die originelle Art, in welcher die Violinen (Seite 3 der Partitur) mit der D-Moll-Leiter in Zweiunddreißgsteln sich nach dem leisen Tremulo zurückwenden. – Indem ich noch einmal diese beiden scharf abgerissenen Noten ansehe [WS 2] erinnere ich mit leisem Schauder mich des Eindrucks, den die Contrabässe hier mit derselben Figur machen, und ebenso der unbeschreiblich großen Wirkung, die in dem einzigen Piano D der Trompete liegt (S. 3, 8ter Tact), was beim Uebergang in den zweiten Theil eben so herrlich sich wiederholt. S. 5, 7ter Tact ist die Gegenbewegung



  1. *) S. Nr. 5 dieses Bandes.

Anmerkungen (Wikisource)